Globalhaushalt. Blick zurück und erste Erfahrungen mit dem CHE aus Hochschulsicht

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Yorck HenerYorck Hener
Geschäftsführer, CHE Consult GmbH

Heute finden sich in vielen Hochschulgesetzen der Länder in Deutschland die rechtlichen Voraussetzungen für Globalbudgets oder Globalhaushalte an Hochschulen. Heute werden die Regelungen oft verknüpft mit der Mittelverteilung. Im Kern von Anreizsystemen, die Mittelverteilungsmodelle sein sollten, ist eine flexible Handhabung der Mittel innerhalb der Hochschule eine Grundvoraussetzung. Daher kann das Reformvorhaben Globalhaushalt als ein großer Schritt in die Richtung einer autonomen und „unternehmerischen“ Hochschule gesehen werden. Ohne diese Reform verpuffen viele Veränderungsstrategien, weil die finanziellen Handlungsspielräume fehlen. Auch wenn es bereits vielfach umgesetzt ist, sind noch längst nicht überall Globalhaushalte Standard, das Thema ist noch aktuell, wobei aktuell die Erfahrungen von Hochschulen hilfreich für eine höheren Grad professionellen Umgangs sind.

Mit dem Reformvorhaben Globalhaushalt verbinden sich zwei konkrete Vorhaben: zum Einen das öffentliche Haushaltsrecht so zu flexibilisieren, dass nicht mehr die staatliche Ebene bis in Details (Einzeltitel) festlegen kann, welche finanzwirksame Aktivität damit verbunden ist. Dafür sind sowohl im rechtlichen Rahmen wie in der konkreten Ausführung Spielräume zu schaffen. Wie diese Spielräume ausgestaltet werden, dafür sind Varianten denkbar, die sich auch heute in der Praxis der Hochschulen widerspiegeln. Solche Varianten können von der kameralistischen Lösung mit großen Deckungskreisen bis hin zu den eher verselbständigten Landesbetrieben erstrecken, die per se eine höhere Eigenverantwortung haben und sich als quasi finanziell eigenständige Einrichtungen darstellen können. Bei diesen ist aber zwingend das kaufmännische Rechnungswesen vorgesehen, das mit anderen Instrumenten arbeitet (dem HGB statt der LHO) und daher auch einen hohen Aufwand mit entsprechend hohen Investitionen fordert. Der Wirtschaftsplan ersetzt den Haushaltsplan, Erträge und Kosten ersetzen die Einnahmen und die tatsächlichen Ausgaben. Die Stellenzuweisung und Finanzierung sowie die Zuweisung realer Sachmittel für konkrete Ausgaben, wie in den Haushaltsplänen üblich, beschreiben die finanziellen Vorgänge nicht mehr vollständig. Stattdessen sind bei einem globalen Haushalt alle materiellen Werte einer Hochschule im Fokus und tragen zu einer neuen Sicht auf Ressourcen und ihren Einsatz bei.

Der Globalhaushalt im Hochschulbereich wurde nicht von Hochschulmanagern erfunden. Es gibt dafür etliche Mütter und Väter, zum Beispiel die kommunalen Vorreiter für das „Neue Steuerungsmodell“ im öffentlichen Sektor, die sich intensiv mit dem neuen Steuerungsfragen in einer öffentlichen Verwaltung auseinandersetzten und eine starke Ausstrahlung auf Bund und Länder hatten. Die Verwaltungshochschulen hatten sich des Themas schon früh angenommen. Eine Übertragbarkeit auf Hochschulen erschien naheliegend. Aber auch, noch zu wenig wahrgenommen, waren gute Vorbilder in ausländischen Hochschulen sichtbar, und diese Erfahrung haben einige Akteure, besonders für die Reform an deutschen Hochschulen mit eingebracht. Als sich die ersten Hochschulen zu Beginn der neunziger Jahre mit ersten Modellversuchen an das Thema herangewagt hatten, war es noch von Pionieren und Visionären in Hochschulen und auch in einigen Ministerien verfolgt und betrieben worden. Die Motive für diesen Reformschritt waren allerdings nicht einheitlich, sondern sogar sehr divergierend: Ging es einigen Befürwortern vor allem der staatlichen Ebene noch um die kontrollierte Dezentralisierung und Deregulierung in finanziellen Entscheidungen zugunsten der Hochschulen, waren die Visionen der Protagonisten bereits weit vorangeschritten: hin zu einer neuen sich selbst steuernden Hochschulorganisation, die in ihren Rahmenbedingungen frei von staatlicher Mitwirkung in den Fragen von Forschung und Lehre als autonome Hochschule entwickelt. Die auf die finanztechnischen Fragen des Haushaltsrechts konzentrierten Modelle sollten in den Zusammenhang von personellen und strukturellen Fragen gestellt werden.

Dieser Aufwand der Umstellung administrativer Prozesse kann die Hochschulen vor Herausforderungen stellen, die zumindest den administrativen Teil der Hochschulen und die Selbstverwaltung für einen großen Zeitraum absorbiert und für andere Vorhaben keinen Raum mehr lassen. Der Lohn dafür sind aber die größeren Freiheiten durch finanzielle Spielräume und Handlungsoptionen. Aber gleich welcher Ansatz gewählt wird, für eine Umsetzung und den effektiven Einsatz dieser Freiheiten braucht die Hochschule neue Instrumente, wie eine Kostenrechnung, eine interne Mittelverteilung, und auch ein internes und externes Berichtswesen, um nur einige zu nennen. Eine Kostenrechnung war in den Hochschulen nicht vorhanden, sie ist aber für die Transparenz unverzichtbar. Wenn alle Ressourcen der Hochschulen (Personal, Sachmittel, Bau und Liegenschaften, Geräte und Ausstattung usw.) prinzipiell als materielle Werte der Hochschulen zu den Handlungsfeldern gehören, die flexibel für die Leistungen der Hochschule einsetzbar sein sollen, dann sollten auch die Kosten auf die Leistungen beziehbar sein. Was aber sind die Leistungen der Hochschulen? Was bedeutet es eigentlich, wenn die Kosten hoch oder niedrig sind, für die Bewertung der Leistung? Und was noch wichtiger ist: welche Steuerungsrelevanz haben diese Formen der Flexibilisierung und die entwickelten Instrumente?

Als der „Modellversuch für eine Erprobung der globalen Steuerung von Hochschulhaushalten in Niedersachsen“ durch das Wissenschafts- und das Finanzministerium gefördert an den Universitäten Oldenburg, Clausthal und der Fachhochschule Osnabrück 1994 konkrete Formen annahm, standen alle diese Fragen offen im Raum. Es war entschieden, dass dieses Modell mit der institutionellen Form der Landesbetriebe mit kaufmännischem Rechnungswesen realisiert werden sollte. Das sollte der große Wurf sein, um sich nicht in den Verästelungen der Kameralistik zu verheddern und den Blick für die erhofften Freiheiten finanzieller Gestaltung nicht zu verstellen. Daher erschien der Landesbetrieb als die adäquate Form. Durch die Landeshaushaltsordnung gedeckt, werden für den Landesbetrieb Regelungen entwickelt, die bereits an anderen Orten der öffentlichen Verwaltung funktionieren. Die in Jahrzehnten auf das öffentliche Haushaltswesen getrimmte Verwaltung benötigt für eine solche Veränderung eine völlig neue Basis. Im technischen Sinn stehen damit auch die Fragen nach der besten IT-Unterstützung für ein kaufmännisches Rechnungswesen an. Die Entscheidung für einen Landesbetrieb löste die schwerwiegende Entscheidung zugunsten der Software von SAP aus. Das damals ausschließlich für private Unternehmen entwickelte IT-Paket bestimmte durch seine Systematik und ihre immanenten Voraussetzungen, aber vor allem durch die noch nicht realisierten spezifischen Bedarfe von Hochschulen vorrangig das Arbeitsprogramm der Umstellung und der Vorbereitung auf die neue Arbeitsweise. Die Einführungsphase für den Globalhaushalt, dessen Start mit dem Jahr 1995 festgelegt war, geriet damit stark in die operative Ebene, der strategische Blick ging vorübergehend verloren. Das Wissenschaftsministerium, das dabei die Federführung hatte, bemühte sich zusammen mit den drei Hochschulen, den operativen Prozess professionell begleiten zu lassen und zugleich den strategischen Aspekt nicht vollständig aus den Augen zu verlieren. Dazu wurden Unternehmensberatungen eingeladen. Nach einer umfassenden Auseinandersetzung mit deren Vorstellungen und Umsetzungsvorschlägen wurde den Hochschulen schnell klar, mit den Unternehmensberatungen wird es zu diesem Zeitpunkt noch nichts an Hochschulen. Denkweise, Sprache und Umsetzungsprozesse waren extrem weit von der Hochschulkultur entfernt. Es brauchte also eine kompetente Beratungseinrichtung, die Hochschulen von innen kennen, deren Struktur verstehen, die gleiche Sprache sprechen und den Blick frei haben für die notwendigen Reformen.

1994 wurde das CHE gegründet, genau im passenden Moment. Es füllte genau diese Kompetenzlücke. Gäbe es damals das CHE nicht, man hätte es in Niedersachsen erfinden müssen. Die Begleitung dieses Vorhabens wurde damit zu einem der ersten Projekte unter der Leitung von Müller-Böling und damit auch zu einer ersten Nagelprobe für die Hochschulen, die unbedingt den Erfolg dieser hochschulspezifischen Beratung wollten, um eine bloße Adaption privatwirtschaftlicher Formen zu vermeiden. Das Wissenschaftsministerium hatte das CHE beauftragt, zusammen mit einem wissenschaftlichen Beirat als Motor und als Projektmanager in den ersten fünf Jahren des Modellversuchs die Hochschulen zu beraten und dem Ministerium in einem Abschlussbericht Evaluationsergebnisse zu vermitteln.

Mit dem Beirat wurden die Lücken gefüllt, die den Hochschulen abhanden zu kommen drohten, nämlich die Einordnung des Vorhabens in eine größere Umgestaltung der Hochschule insgesamt. Dass dieses strategische Ziel vom CHE damals verfolgt wurde, zeigte sich schon an der Zusammensetzung der wissenschaftlichen Kommission: international, mit vielfältigen Kompetenzen und Erfahrungshorizonten, aber unabhängig von ihren Institutionen. Für die Begleitung der Hochschulen wurden Themenfelder als Schwerpunkte festgelegt, die sich auf die Hochschulorganisation insgesamt orientieren, wie Controlling, Mittelverteilung, Governancestrukturen. In allen diesen Feldern waren die beteiligten Hochschulen entweder in den Anfängen oder hatten sich damit noch nicht befasst. Diesen Zusammenhang auch durch die Verknüpfung der hochschulspezifischen Vorstellungen mit einem allgemeinen Konzept des wissenschaftlichen Beirats deutlich auf die eigenständigen Strategien der Hochschulen zu beziehen, war eine der Erfolgsfaktoren. Ein weiterer auch für die Akzeptanz an den Hochschulen zentraler Aspekt bestand in dem Selbstverständnis, die Empfehlungen und Beratung nicht allein auf die Hochschulen zu konzentrieren, sondern zugleich die ministerielle Ebene einzubeziehen. Das hat dazu beigetragen, dass sich Hochschulen durch das CHE gegenüber dem Staat vertreten fühlten konnten und dieses Medium auch dazu genutzt haben.

Es war ja keineswegs so, dass die drei Hochschulen im gleichen Tempo oder mit den gleichen Prioritäten sich fortentwickeln wollten, ganz im Gegenteil: von Anfang an waren sie bemüht, die Profile und Selbstbilder auch in die neuen Aufgaben einzubringen. Das führte zwangsläufig zu erheblichen Unterschieden der Gestaltung. Das konnte dem Profil zwar nützen, aber nicht dem erklärten Zweck des Modellvorhabens, transparente Strukturen zu schaffen, die auch auf der ministeriellen Ebene noch eine Steuerung ermöglicht. Auch die ministeriell unterstützte Autonomie sollte nicht die staatliche Ebene von jeglicher Steuerungsfunktion entlasten. Wo aber liegt die Grenze der Steuerung zwischen Hochschule und staatlicher Ebene? Dies herauszuarbeiten, war die Kärrnerarbeit des Beirats, der Hochschulen und des Ministeriums gemeinsam. So scheiterte schon sehr früh der Versuch, über die Kostenrechnung Transparenz und Vergleichbarkeit für Lehre und Forschung herzustellen. Selbst die Konzentration der Kostenrechnung auf die Studiengänge wurde konzeptionell so unterschiedlich gehandhabt, dass auch dieser Versuch misslang. Ein weiteres wichtiges Feld, die Schaffung eines einheitlichen Berichtswesens zur Kontrolle durch die parlamentarische Ebene, blieb in den Anfängen hängen und hat sich nicht erfüllt. Immerhin konnte die Universität Oldenburg bei der Einführung einer Mittelverteilung die Beratungskompetenz des CHE nutzen.

Die Hochschulen goutierten auch nicht alle Empfehlungen, etliches war sehr strittig und ließ sich kaum in den Hochschulen verankern. Vor allem der Vorschlag zu der Einführung von Hochschulräten stieß auf große Skepsis und weitgehende Ablehnung. Auch die interne Veränderung von Governancestrukturen über einen Hochschulrat hinaus war nur mühsam zu thematisieren. Es zeigte sich, dass Reformen einzelne Schritte und ein angemessenes Tempo brauchen, um überhaupt erwogen oder gar eingeführt zu werden. Zudem haben manche Hochschulvertreter die operative Beratung für die Instrumente an den Hochschulen vermisst. Dazu gab es aber die klare Maxime des CHE, die operative Ebene vollständig den Hochschulen zu überlassen. Angesichts der Herausforderung des Vorhabens fanden das manche in den Hochschulen als ein Manko. Diese Erfahrung macht deutlich, auch für das CHE sind Lernprozesse mit dem Projekt verbunden.

Dennoch: es bleibt zu konstatieren, dass die Vorgehensweise hochschuladäquat gewählt war und damit eine andere Dimension von Beratung für das Management der Reformen gefunden war. Dass sich eine Beratungseinrichtung sowohl als Reformmotor und zugleich als Anwalt der Hochschulen versteht, hat die Wahrnehmung von Hochschulreformen verändert.

1998 Hener_hs machen reform
Yorck Hener bei der CHE-Veranstaltung „Hochschulen machen Reform“ 1998

Yorck Hener

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