Zur Profilbildung von Hochschulen auf Studienmärkten

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Prof. Dr. Ronald MönchRonald Moench
Hochschule Bremen

I. Profilbildung: ein Non-Topos bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts

Es ist nicht lange her, seit wir in den Hochschulen von Profil, Profilierung, Profilbildung, Profilschärfung, hochprofilierten Studiengängen und vergleichbaren Prädikaten sprechen.

Profilierung: Das hat es in den Hochschulen und im Verhältnis der Hochschulen wie auch der Wissenschaftsregionen zueinander immer gegeben, auch wenn dies nicht weiter thematisiert wurde.

Am Ausgangspunkt der klassischen Universitäten stand eher die individuelle Komponente, die Persönlichkeit des Gelehrten oder Künstlers: Veröffentlichungen, Entdeckungen, Auszeichnungen, Zahl und Rang der Schüler, Zahl und Wertschätzung der Alumni u.v.m..

Ein institutionelles Profil war etwas, was eine Universität „hatte“ oder auch „nicht hatte“, es war immer mehr als die bloße Summe der Wertschätzung ihrer Professoren, aber es setzte sich nicht so sehr als Folge strategischer Überlegungen der „Verantwortlichen“ durch (obgleich es dieses Denken und Handeln seit jeher auf inner- und außeruniversitären Ebenen gab: Man denke nur an die ehrgeizige Politik der Preußischen Kulturverwaltung im 19. und 20. Jahrhundert), sondern eher beiläufig und (scheinbar) nicht unbedingt geplant.

Am einfachsten mit der Profilierung hatten es vergleichsweise Musik- und Kunsthochschulen, Theater- und Filmhochschulen: Die künstlerische Exzellenz ihres Lehrkörpers war durch Konzerte und Ausstellungen, durch Ankäufe und Engagements ihrer Professorinnen und Professoren, durch Preise und Auszeichnungen für Absolventinnen und Absolventen, also durch Positionen auf besonderen „Märkten“, vergleichsweise klar zu fassen und zu vermitteln (ob darin nun ein „gerechtes Ranking“ lag oder nicht). Die selektive Aufnahme ihrer Studierenden folgte schon immer der kompetenten qualitativen Bewertung durch Mitglieder ihres künftigen Lehrkörpers außerhalb allzu formalisierter und überprüfbarer Immatrikulationsentscheidungen. Die Sonderstellung, die diese Hochschulen in der Profilbildung einnahmen und einnehmen, und auf die sich die weltweite Reputation dieser Einrichtungen gründete und gründet, insbesondere in der Musik, bleibt gleichwohl im Folgenden außer Acht. Schon deshalb, weil der deutschen Tradition die grundsätzliche institutionelle Sonderung der künstlerischen Fächer entspricht (wenn man von den anders fokussierten Lehramtsstudien und wenigen Ausnahmen absieht). Dass weltweit auch andere organisatorische Lösungen existieren (USA, Korea, Taiwan, Japan, um nur einige zu nennen), bei denen es reizvoll wäre, unter dem Vorzeichen von Profilbildung die Interdependenzen zwischen künstlerischen und nicht künstlerischen Fächern innerhalb einer Institution nachzuvollziehen, soll hier nicht weiter vertieft werden.

Eine große Zahl von geachteten, in diesem Sinne „exzellenten“ und „profilbildenden“ Gelehrten versammelte sich nie „zufällig“ in einem Universitätsort. Sie war auch Resultat eines längeren Prozesses und eines Entwicklungsstandes von institutionellen Charakteristika, die ein breites Spektrum unterschiedlichster Elemente umfasste: Tradition und Geschichte (im deutschen (Universitäts-) Kulturraum Prag, Wien und Heidelberg); Substanz des tragenden Staates und Einsicht der territorialen und/oder religiöser Souveräne (man denke nur an die preußische Gründung der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin im Vergleich zu den bis ins 20. Jahrhundert hochschullosen Hansestädten); politische / gesamtstaatliche Zielsetzungen (dazu nochmals das Beispiel der Berliner Neugründung nach dem Frieden von Tilsit); politische Implikationen (dazu das Beispiel Göttingen, schon wenige Jahrzehnte nach der Gründung); aber auch die städtebaulich-landschaftliche Idylle wie Tübingen, Freiburg, Marburg und nochmals Heidelberg u.a. prägten so etwas wie ein universitäres Profil, ein Standortprofil.

Dies wird u.a. an der Entwicklung der humanmedizinischen Exzellenzstandorte deutlich: So bescheiden der Beginn der Berliner Charité als Armeehospital auch gewesen sein mochte: Der Aufstieg Preußens im 18. und 19. Jahrhundert und mit ihm verbunden der Aufstieg Berlins von einer provinziellen, eher geschichtsarmen Residenzstadt zum industriellen, geistigen und politischen Zentrum Deutschlands, eröffnete der Charité immer neue Chancen, die sie gemeinsam mit ihrem sich entwickelnden medizinisch-naturwissenschaftlichen Umfeld gut zu nutzen wusste: Ein Blick in die Ahnengalerie der Charité, vor allem in die 2. Hälfte des 19. und in das 1. Drittel des 20. Jahrhunderts veranschaulicht diesen Prozess des Verwobenseins von Umfeld und Entwicklung und Zentrierung wissenschaftlicher Exzellenz.

Weder der Aufstieg und die Entwicklung der heutigen Technischen Universitäten im 19. und 20. Jahrhundert noch die „bürgerlichen“ Neugründungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (Köln, Frankfurt, Mannheim u.a.) veränderten dieses Bild grundsätzlich: Für die Technischen Universitäten entstanden neue Exzellenzkriterien, wie etwa die Vergabe von Patenten, die Symbiose von industrieller und wissenschaftlicher Entwicklung, die Verwissenschaftlichung des industriellen Wertschöpfungsprozesses. Die „bürgerlichen Neugründungen“ fügten sich in die tradierte Entwicklung ein.

Der Aufstieg der Kaiser-Wilhelm-Institute war noch nicht so wie heute mit dem universitären Umfeld verbunden: Die jahrzehntelange Trennung beider Wissenschaftsbereiche beließ es bei den klassischen Profilbildungselementen der Universitäten, während die Kaiser-Wilhelm-Institute in administrativer und zuwendungsbezogener Sicht ohne Studierende und Doktoranden „in einer anderen Liga staatlicher Zuwendungen“ spielten

Mit einem Wort: Eine Universität hatte ein Profil, sprach aber nicht systematisch darüber. Profil war eher ein Non-Topos, gleichwohl immer ein realer Tatbestand.
II. Profil wird zum Topos

Mehrere, miteinander verbundene Entwicklungen haben die Profilbildung zu einer fast schon verselbständigten Kategorie der Hochschulpolitik aufgewertet. Dieser Prozess ähnelte mehr einer Springprozession als einer systematischen Entwicklung, aber die Gesamtheit der einzelnen Sprünge schuf diesen neuen Topos.

Prägend in Deutschland waren und sind die staatliche Dominanz wie auch die private Zurückhaltung gegenüber Hochschulen. Staatlichkeit der Prägung ist nicht unbedingt profilfördernd. „Der Staat“, das sind im Kern Ministerialbeamte, bisweilen auch Minister und vereinzelt auch Parlamentarier. Grundsätzlich sind sie eher an Mechanismen egalitärer Entwicklung orientiert als an dem profilbildenden Wuchs von Angeboten.
Vor dem Hintergrund privatwirtschaftlicher Zurückhaltung gegen Hochschulen ist daher, so verlockend der Blick etwa auf die USA ist und bleibt, nach wie vor das Urteil der Wirtschaft und der potentielle Erblasser, also das Urteil der formellen Nichtträger von Universitäten, aber eben doch der eigentlichen Stakeholder, distanziert und grundsätzlich wenig ertragreich für das Profil und den Wohlstand der Hochschulen. Gerade das Beispiel der früheren International University Bremen, der IUB, belegt dieses verhaltene Urteil, die als relativ kleine private Universität erst durch eine sensationelle Spende des Kaffeeerben Jakobs in Höhe von 200 Mio. Euro ihr strukturelles Finanzproblem lösen konnte und so zu einem neuen Namen kam.

Und noch ein Beispiel aus dem Norden: Die Umgründung von niedersächsischen Universitäten und Fachhochschulen zu Stiftungshochschulen belegt, wie gering die Erwartungen des Wissenschaftsministers an eine dauerhafte und gewichtige (Ko-) Finanzierung durch Dritte sind, und dies völlig zu Recht: Es gibt praktisch kein Stiftungskapital mit nennenswerten Ertragserwartungen, sondern im Kern staatliche Zustiftungszusagen. (Die Stiftungskonstruktion erweist sich aber gleichwohl wegen der mit ihr verbundenen Steigerung der Hochschulautonomie als eine gute Entscheidung).

Die Neugründung von (zunächst durchaus als klassisch verstandenen) Universitäten in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts schuf, bisweilen fast nur auf dem Reißbrett von bauflächen-orientierten Planern, oft außerhalb des bewohnten städtischen Raumes oder zumindest an dessen Peripherie, in der gestalterischen Einöde der 60er und 70er Jahre universitäre Institutionen, die sich trotz ihrer vollen Rechtsstellung neben ihren traditionsreichen älteren Schwestern erst einmal behaupten mussten. Zur Geltung bringen mussten sich diese Neugründungen aber auch oft genug zunächst in der Region selbst, die sich erst einmal daran gewöhnen musste, Universitäten und Wissenschaft den Rang zu geben, den sie zur Entfaltung brauchten. Es ist vielleicht kein Zufall, dass Müller-Böling, der große Vordenker der Profilbildung, mit der Universität Dortmund eine dieser neuen Universitäten als Rektor geleitet hat.
Auf die Besonderheiten der Entwicklung des Hochschulwesens in der DDR will ich hier nicht weiter eingehen, nicht weil sich die Entwicklung in beiden Teilen Deutschlands durch die von den Kultusministern der Neuen Länder gewollte, strikte Übernahme der Hochschulmodelle der Alten Bundesländern ab dem 3.10.1990 auf das „westdeutsche Modell“ definitiv verengt hat. „Verschüttete Milch“ nennt man das Eingehen auf eine erledigte Agenda. Sondern, weil dieser Sonderweg der DDR-Hochschulpolitik aus heutiger Sicht neben anderen (noch oder wieder) modernen Facetten auch eine besondere Facette der Profilbildung aufweist, so dass eine vertiefte Auseinandersetzung, die den Bogen über die Ingenieurhochschulen bis hin zum Promotionsrecht nichtuniversitärer Wissenschaftsorganisationen schlagen müsste, den hier gesetzten Rahmen sprengen würde.
Die Gründung der Fachhochschulen in der alten Bundesrepublik ab 1969 , ob durch Aufwertung und Umwandlung bestehender Einrichtungen des Sekundarbereichs, oder als echte Neugründung, ließ einen weiteren Akteur auf die Hochschulbühne treten. Aus der Kammermusikveranstaltung bis zum Ende des I. Weltkriegs wurde unter Einbeziehung der universitären Neugründungen ein veritables Sinfonieorchester. Auch abgesehen davon, dass dieser (schon in Ost und West unterschiedliche) Weg aus heutiger Sicht im Vergleich etwa zur vergleichbaren Entwicklung in Großbritannien (die ehemaligen Polytechnics und Colleges markierten den etwas früheren Einstieg in den Non-university Sector) schlecht vorbereitet und kaum durchdacht war und deshalb fundamentale Geburtsmängel einer eher mutlosen Hochschulpolitik aufwies, veränderte diese Reform das deutsche Hochschulsystem nachhaltig. Die Veränderungen sind nach wie vor nicht abgeschlossen und stehen überwiegend mit dem Topos der Profilbildung in engstem Zusammenhang. Schon die Absonderung der Fachhochschulen von der alten und neuen Welt der Universitäten wies ein Element der institutionellen Profilbildung auf.
Die Gründung von Gesamthochschulen als ein weiteres Element dieser quantitativen Revolution wies (neben anderen) auch bereits Elemente einer institutionellen Profilbildung besonderer Art auf. Auch hier lohnte es sich zu verweilen, aber diese Besonderheit des deutschen Hochschulsystems ist inzwischen Geschichte geworden.
Die Vervielfachung des Erwerbs der Hochschulzugangsberechtigungen wie auch ihre qualitativen Veränderungen und die darauf aufbauende quantitative Inanspruchnahme der Ausbildungsleistungen der Hochschulen veränderte die Hochschulwelt nachhaltig. Aus traditionsreichen Einrichtungen, die sich, kaum hinterfragt, als überschaubare Ausbildungsstätten für eine kleine geistes-, natur- und technikwissenschaftliche Elite verstanden und in einem gewissen Sinne in sich selbst ruhten, wurden Stätten der Massenausbildung. Nach wie vor sind wir weit davon entfernt, diese Veränderungen wirklich verarbeitet zu haben.
Die rasante Zunahme der Zahl der Hochschulen musste nachhaltig auch die politischen und administrativen Zugriffe dieser Vielzahl staatlicher Akteure auf die staatlichen Budgets betreffen. Für die Newcomer konnte das Besondere, das Profilbildende vielleicht eine neue Chance in der immer schwierigeren Allokation immer knapperer Ressourcen bedeuten.
Die Vermassung des Studiums und die immer größere Zahl von Hochschulen ließen die Sorge entstehen, das Hochschulsystem könne insgesamt leistungsmäßig ausbrechen. So entstand in einem ersten Schritt ein sicherlich gut gemeintes, aber eher profilbildungsfeindliches System von Musterstudienordnungen und – diplomprüfungsordnungen. Das ganze Konstrukt wurde im Zusammenhang mit der Einführung der neuen Mechanismen der Akkreditierung stillschweigend beerdigt. In unendlich vielen Sitzungen waren diese Regelwerke aufgestellt, diskutiert und novelliert worden, um schließlich vor wenigen Jahren aus dem Leben der Hochschulen und Ministerialverwaltungen still und klanglos zu verschwinden.
Die Gründung privater Hochschulen ließ zum ersten Mal so etwas wie einen unverzichtbaren „Studentenmarkt“ entstehen. Einerseits „brauchten“ diese Neugründungen Studierende, andererseits waren sie vor dem Hintergrund letztlich immer offen gehaltener staatlicher Hochschulen auf ein studentisches Qualitätsprofil angewiesen, oder auf Fächer und Fachkombinationen, die inhaltliche und/oder regionale Defizite aufgreifen und befriedigen konnten. Zu einem Siegeszug privater Hochschulen ist es aus nachvollziehbaren Gründen nicht gekommen; gleichwohl verdankt gerade das staatliche System diesen Hochschulen wichtige Impulse.

III. Die klassische Dichotomie Universität – Fachhochschule: Entwicklung, Dilemmata und Überwindung der hochschulartenspezifischen Profilbildung

Die Einführung des binären Systems in die deutsche Hochschulwelt ab 1969 schuf zunächst eine grundsätzlich hochschulartenbezogene Profilierung. Diese beinhaltete zunächst einen gesetzlich fixierten Negativkatalog / Verbotskatalog, der besagte, was die Fachhochschulen alles nicht durften: Sie konnten keine unmittelbar promotionsberechtigende Titel verschaffen, keinen Zugang zum Höheren Dienst eröffnen, keine Promotionen oder gar Habilitationen verantworten; in einigen Bundesländern war Forschung sogar rechtlich oder doch faktisch untersagt. Belastend war nicht so sehr die Begrenzung selbst, sondern dass es keinerlei Verfahren gab, durch Leistung und Schwerpunktsetzungen die Beengungen wenigstens partiell zu überwinden.

Wer diese Jahre eines permanenten Kleinkriegs bewusst erlebt hat, wird nicht ohne Lächeln daran zurückdenken, wie sich Fachhochschulen in einem ersten Schritt von ihrem Prädikat „Fach-“ zu Gunsten der „Hochschule“ zu verabschieden suchten, wie umgekehrt „Hochschulen“ den Titel „Universität“ anstrebten, wie viel Schweiß der Edlen alleine für die angemessene Übersetzung der deutschen Spezifika ins Englische geflossen ist („University of Applied Sciences“), wie viele Ministerialbeamte die neuen Briefbögen der Fachhochschulen darauf überprüften, ob die „University of Applied Sciences“ die Ortsbezeichnung vor („Bremen University of Applied Sciences“) oder nach diesem Wortungetüm („University of Applied Sciences Bremen“) trug (wäre da zuerst die Stadt aufgetaucht, so befürchtete man offenbar ein publizistisches Desaster für die ortsansässige Universität, bei der „Universität“ aus sprachlogischen Gründen vor dem Ortsnamen stand), und ob sich die „University of Applied Sciences“ nicht in die erste Zeile des Briefkopfes schlich und etwa auch im deutschen Schriftverkehr verwendet wurde, wie im Ausland Vertreter beider Hochschularten die in Deutschland üblichen Sticheleien zu vermeiden suchten (um dann bisweilen ohne Zuhörer der anderen Seite um so giftiger zuzustechen), wie lange erbitterte Kämpfe um die „Gleichwertigkeit“ der FH-Diplome mit Universitätsdiplomen / -magistertiteln und Staatsexamina ausgetragen wurden.

Es wurde deutlich, dass bei aller Berechtigung differenzierter Angebote für differenzierte Begabungen und Berufsbilder die strikt dichotomische Unterscheidung eng und letztlich immer weniger überzeugend blieb. Als alleiniges Differenzierungsmerkmal führte sie in die Sackgasse. Sie drohte, innovative und unbequeme Geister zu lähmen, beharrende und bequeme Denkweisen zu begünstigen.

Das änderte nichts daran, dass andere klassische Eigenheiten der Fachhochschulen (der „Positivkatalog“; s. dazu unten unter IV (e) ), die das gesamte Teilsystem Fachhochschule prägten, einen bemerkenswerten Beitrag auch zur institutionellen Profilierung leistete.

Dazu trug sicherlich bei – obwohl dies namhafte Akteure der Fachhochschulen lange bekämpften -, dass sich jenseits der Fachhochschulen („unter ihnen“) neue Anbieter etablierten (nicht nur die Berufsakademien), und dass sich auch innerhalb der Fachhochschulen das reale Studium immer mehr differenzierte, vor allem auch durch eine Vielzahl von dualen Angeboten.

Aber erst die Überwindung der deutschen Abschlusstraditionen durch die auf breiter Front erfolgende Einführung von Bachelor- und Master-Abschlüssen im Zuge des Bologna-Prozesses , also durch eine grundsätzliche Verständigung seitens der europäischen Kultusminister, ließ den Wert der Dichotomie (die nach wie vor prägend bleibt, aber unseren Verstand heutzutage nicht mehr benebelt), die hochschulartenbezogene Differenzierung, in den Hintergrund treten.

Das Ganze ist übrigens auch ein Lehrstück für erfolgreiches politisches Handeln: Auf nationaler Ebene war es schlechterdings nicht möglich, alle 16+1 Akteure (Länder und Bund) unter einer Fahne zu versammeln, sozusagen gegen das Geflecht ihrer eigenen früheren Festlegungen. Aber der neue Tatbestand einer europäischen Verständigung stärkte zunächst die Position der entscheidenden Persönlichkeiten des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Konzert der drei beteiligten Bundesakteure (außerdem noch das Außenminis-terium und das Wirtschaftsministerium) gegenüber den an sich kompetenzstärkeren Kultusministerien, und dann vollzogen sich große Schritte in einem erfreulich lockeren Übergang, der etwa Fördermaßnahmen für gestufte Studiengänge (verwaltet durch den DAAD) vorsah, obwohl die wissenschaftsrechtlichen Voraussetzungen dafür noch nicht vorhanden waren.

Müller-Böling hat, übrigens schon als Rektor, als erster und dann über viele Jahre als Leiter des CHE unermüdlich dazu beigetragen, die dichotomische Profilierung zu Gunsten eines Bouquets an primär institutionenorientierten Profilelementen in den Hintergrund zu schieben. Universitäten wie Fachhochschulen, aber auch gleichermaßen die Musik- und Kunsthochschulen, fühlten sich von ihm verstanden und bei ihm gut aufgehoben. Das lag daran, dass er nicht auf tradierten Antagonismen „herumritt“, sondern es verstand, mögliche Opponenten auf einer neuen Sachebene zusammenzuführen.

Wenn ich hier neben Müller-Böling drei weitere Akteure dieses großen Prozesses mit Dankbarkeit nenne, so mag der Leser mir das nachsehen: Ohne den früheren Präsidenten der HRK, Prof. Dr. Erichsen, wäre das CHE, also die Keimstelle dieser Erneuerung, mit einem Freibrief zu wirklich neuer Politik, nicht gegründet worden.

Und ohne Prof. Dr. Landfried, den Nachfolger von Erichsen als HRK-Präsident, wären die zeitraubenden, bisweilen ermüdenden, kleinteiligen Prozesse der Umsetzung dieser neuen Politik in einen praktischen Handlungsrahmen, als gemeinsames Anliegen von Rektoren und Kultusverwaltung weder abgeschlossen noch so gut und souverän, und fast immer in guter Laune der Beteiligten, geführt worden. Es ist ja kein Geheimnis, dass auch unter den Rektoren und Präsidenten die Auffassungen über die gestuften Abschlüsse auseinander gingen: Manche Universitätsrektoren befürchteten eine stärkere Konkurrenz durch die Fachhochschulen, wenn diese erst einmal Master-Programme anbieten dürften. Oder sie befürchteten eine Entwertung der zu ihrem Besitzstand gehörenden universitären Abschlüsse. Und manche Fachhochschulrektoren befürchteten, dass universitäre Bachelor-Abschlüsse bedrohlich werden könnten, dass es mit dem guten Willen zur Einführung von Master-Programmen an Fachhochschulen nicht weit her sei, und dass es letztlich nicht gelingen werde, die Diskriminierung der FH-Absolventen beim Einstieg in den Höheren Dienst zu überwinden. Landfried schaffte es, die Ungeduld Einzelner und die Sorgen anderer zur Sprache zu bringen, aber die Diskussionshoheit und den von ihm zu Recht als irreversibel empfundenen Prozess als solchen nicht mehr in Frage zu stellen.

Über die tragende Rolle, die Prof. Friedrich als damaliger Leiter der Hochschulabteilung bei allem gespielt hat, sind sich die Verantwortlichen schon lange einig.
IV. Von der typenbezogenen zur institutionellen Profilbildung

Die Entwicklung verlief nicht gradlinig und in klar gegliederten Abschnitten: Schon auf dem Höhepunkt der hochschulartenbezogenen Profilbildung in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts verlegten einzelne Hochschulen ihren Ehrgeiz auf institutionelle Profilierung. Wir schwammen, wie die Franzosen sagen würden, entre deux eaux, mal in der Überströmung, mal in der Unterströmung.

Es boten sich unterschiedliche Anknüpfungspunkte an. Für den wichtigen Teilbereich der Internationalisierung konnten nationale Förderprogramme genutzt werden, auch die im internationalen Vergleich auslandsfreundlichen BAföG-Regelungen. Die EU-Programme taten das Ihrige.

Nicht zuletzt gelang es den Fachhochschulen, aus dem Elfenbeinturm zu treten und studienrelevante Kooperationsformen mit der Wirtschaft zu entwickeln.

Profilbildung wurde schwerpunktmäßig strukturell angegangen, aus politisch zunächst nicht zu überwindenden Gründen („Fachrichtungskatalog“) seltener grundsätzlich inhaltlich.

Im Studienbereich war die Festlegung der Abschlüsse und ihrer Bewertung (noch) nicht zu überwinden. Dies ließ gleichwohl Spielräume für diejenigen, die sie suchten und nutzen wollten.

(a) So verlegten sich zahlreiche Fachhochschulen auf die Einführung strukturierter Internationaler Studienprogramme. Reutlingen, Osnabrück, Münster, Pforzheim machten hier die Vorreiter. Bremen, seit 1982 belastet durch schmerzliche und lang anhaltende Sparmaßnahmen zu Gunsten des Ausbaus der Universität, gehörte zwar auch zu den Vorreitern dieser Entwicklung, entfaltete aber eine spezifische Strategie erst Mitte der 8oer Jahre. Dann aber folgten in einem großen Bremer Kraftakt eineinhalb Jahrzehnte der Internationalisierung des Studienbetriebes, an dessen Ende immerhin zwei Drittel aller Studienanfänger einen Teil ihres Studiums im Ausland zu absolvieren hatten. Damit nahm die Hochschule Bremen eine bis heute unangefochtene Spitzenstellung in der Internationalisierung ein.

Durch die „Doppeldiplomierung“ wurde die Enge der deutschen Abschlüsse über-wunden. Dem Erfindungsreichtum, letztlich für ein schwerpunktmäßig in Deutschland durchgeführtes Studium (auch) Bachelor- oder Master-Grade (und weitere Grade) zu vergeben, waren keine Grenzen gesetzt. Aber dies alles fand in einem Low-level-Management statt. Selbst unter befreundeten Kolleginnen und Kollegen blieb die Doppeldiplomierung bisweilen so etwas wie ein Geschäftsgeheimnis.

Und was hier für die britischen Abschlüsse gesagt wurde, galt für alle kooperierenden Hochschulen und deren nationale Abschlüsse.

(b) Andere Fachhochschulen verbanden sich zum Vorteil beider Seiten im Studienbereich mit der wirtschaftlichen Praxis. Die dezentralisierte hochschulpolitische Verantwortung der einzelnen Bundesländer war für diese Neuerungen im Übrigen kein Nachteil; hatte man sich erst einmal mit der zuständigen Hochschulaufsicht verständigt (und die hatte ein grundsätzlich positives Verständnis für die Anliegen der Wirtschaft), dann konnte eigentlich nichts mehr schiefgehen. Die „Berufsintegrierten Studiengänge“ (BIS) im Land Rheinland-Pfalz machten den Vorreiter. Heute ist die Vielzahl der Dualen Studienangebote und ihrer Modelle kaum noch zu erfassen. Diese Modelle wurden zu einem immer attraktiveren strukturellen Profilelement. Und ein Ende der Fahnenstange ist noch nicht abzusehen.

(c) Die Fachhochschulen waren 1969 fachlich eng gegründet worden und der berühmt-berüchtigte Fachrichtungskatalog der KMK war eine Garrote für neuerungswillige Fachhochschulen. Dieser „fachliche Verbotskatalog“, oder „disziplinäre Negativkatalog“ prägte für die ersten drei Jahrzehnte das Bewusstsein der Fachhochschulleitungen. Erst mehr als 30 Jahre nach Gründung der Fachhochschulen fiel dieser Katalog , wenn auch damit nicht automatisch die prinzipielle Enge der möglichen Fachrichtungen. So entstand notgedrungen in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts ein inhaltlicher Erneuerungsweg, der damals euphemisierend als Erneuerung an den Rändern bezeichnet wurde. Die Bindestrich-Studiengänge trugen gleichwohl zur inhaltlichen Profilierung bei.

Aber wo hörte der „Bindestrich“ auf? Wo entstand etwas „wirklich Neues“? Das blieb letztlich doch eher die Ausnahme (so etwa die Studiengänge der Musik an der FH Osnabrück, paramedizinische Studiengänge, wirtschaftsrechtliche Studiengänge, Journalistik, Politikwissenschaften, vor allem aber zunehmend Studiengänge in den Angewandten Naturwissenschaften).

(d) Wie auch immer, die Fachhochschulen galten plötzlich als innovativ. Innovationsfreude, belegt durch Neuschöpfung von Studiengängen, Studienstrukturen, Studienmodellen, Doppeldiplomen usf. verschaffte den Fachhochschulen publizistische Aufmerksamkeit, vielleicht über die Maßen verdient, aber den Gesetzen der Medien gerecht werdend. Ein „neuer Studiengang“ ließ sich ohne Zweifel besser vermarkten als eine Neugestaltung eines Schwerpunkts im Zusammenhang eines unverändert benannten Studiengangs. Dies, so lange das kein Massenprozess war, sondern sich in einer regional noch überschaubaren Innovationsrate vollzog.

(e) Profilbildend wirkte sich auch die systematische Nutzung, für manche die erstmalige oder Wiederentdeckung klassischer Besonderheiten der Fachhochschulen aus: Die Berufung von praxiserfahrenen Professoren, die Praxisorientierung von Lehre und Prüfungen, insbesondere in Gestalt der Diplomarbeiten in Unternehmen, die Praktischen Studiensemester, die Begrenzung der Studiendauer, die Lehre in kleineren Gruppen, die Konzentration auf den Erfolg in der Lehre u.a. konnten im Sinne der Verbindung von dichotomischer und institutioneller Profilierung durchaus von einzelnen Fachhochschulen profilierend genutzt werden. Es gab ja nie einen fundamentalen Gegensatz zwischen (oft genug beengender) dichotomischer Profilierung und klug betriebener institutioneller Profilierung.

(f) Die Regionalität vieler Fachhochschulen, sozusagen ein (unverdientes) Profilelement der örtlichen Lage (nicht anders das das berühmte Dreigestirn Freiburg, Heidelberg, Tübingen) wurde in der Region institutionell zur Profilierung genutzt.

(g) Erst vereinzelt, oft spät, aber zunehmend mit zählbaren Erfolgen, gewannen auch die Profilierungselemente in Fachhochschulen an Bedeutung, die bis dato von Universitäten für sich beansprucht worden waren: Die Qualität der Studierenden als Profilelement, vermittelt durch einen lokalen, institutionellen Numerus clausus, eigentlich durch den fehlenden Ausbau der Fachhochschulen veranlasst. Dies führte zu einer irgendwie auch absurden Profilierungssituation: Universitäten neigten seit Beginn ihrer staatlich verordneten Vermassung zur publizistischen Überhöhung der Qualität der Studierenden; der zentrale Numerus clausus schien sogar zu belegen, dass sie wenigstens tendenziell die Nachwuchselite, und nur diese, in ihren Mauern beherbergten. Erst auf den zweiten Blick wurde deutlich, was von einzelnen Fachhochschulen zunehmend profilbildend genutzt wurde: In den Internationalen Studiengängen der Fachhochschulen lag die Qualität der Hochschulzugangsberechtigungen deutlich über denen in vergleichbaren, nicht profilierten Studiengängen der Universitäten. Beispielhaft für vieles stand und steht das Modell Reutlingen. Und selbst „normale, nicht internationale Studiengänge“ wiesen ihrer Beliebtheit wegen oft genug relativ bessere Durchschnittseingangsvoraussetzungen auf.

Dupliziert wurde dieses Phänomen durch die hohe Zugangsqualität in den (von so manchen Rektoren verteufelten) Studiengängen der Berufsakademien, sowohl gegenüber Universitäten als auch gegenüber Fachhochschulen.

Demgegenüber führten die Geheimnisse der zentralen Numerus-clausus-Verwaltung in Verbindung mit dem Studien-Zulassungsanspruch aus Art. 12 I, 1 GG dazu, dass sich nicht nur die forschungs- und wissenschaftsorientierten Schulbesten, sondern gerade auch die leistungsmäßigen Grenzanbieter in den Universitäten einfanden, einfinden mussten, und zwar oft trotz einer ersten Priorität für die Fachhochschule. Die Heterogenität dieser beiden Gruppen hat in so manchen universitären Studiengängen bis heute praktisch kaum gelöste Probleme aufgeworfen.

(h) Frauenförderung wurde zu einem weiteren profilbildenden Topos an Fachhochschulen. Bekannt (und nachgeahmt) wurden die „Frauenstudiengänge“ der damaligen FH Wilhelmshaven. Und die die Fachhochschulen zunehmend prägenden Internationalen Studiengänge erwiesen sich als sehr erfolgreiche Frauenförderprogramme.

(i) Die institutionelle Profilierung der Fachhochschule war lange die eines Außenseiters im Hochschulgesamtsystem, eines sich nicht immer geliebt fühlenden Underdog. Ohne die als demütigend empfundene Begrenzung des Tatendrangs der Fachhochschulen durch den Fachrichtungskatalog und den allgemeinen Verbotskatalog, die in ihrer Addition verdeutlichten, was alles an Fachhochschulen nicht stattfinden sollte, lässt sich die Ausdauer bis hin zur Verbissenheit, mit der sich viele Rektoren und Dekane von Fachhochschulen auf die institutionelle Profilierung warfen, kaum angemessen erklären.
Was ist das Resultat dieses vielschichtigen Prozesses?

Viele Fachhochschulen verfügen heute über ein bemerkenswertes institutionelles Profil im Bereich der Studiengänge.

Das ist einerseits aus den geschilderten und weiteren, hier nicht thematisierten, Gründen nachvollziehbar. Andererseits ist das bisher Erreichte um so überraschender, als es in einer rein budgetbezogenen Betrachtung unter sich relativ verschlechternden Prokopfmitteln umgesetzt wurde. Den profilierungswilligen Fachhochschulen kam, ein entsprechender Mut zur Differenzierung und Schwerpunktbildung vorausgesetzt, sicherlich zugute, dass die Steuerungsverantwortung im letzten Jahrzehnt auf die Hochschulen, sprich Rektorate oder Präsidien, übergegangen ist, dass Globalhaushalte gebildet wurden, und dass sich der Staat zunehmend von Formen der Feinsteuerung zurückgezogen hat. So konnte selbst unter restriktiven Haushaltsbedingungen Profilbildung stattfinden, vor allem im Bachelor-Bereich. Und die zunehmenden Modelle einer objektivierten, an Kennzahlen (nicht nur an politischen Prioritäten) orientierten Mittelzuweisung seitens der Länder, zum Teil sogar prinzipiell unabhängig von der Hochschulart, hat dort, wie dies realisiert wurde, die Position der Fachhochschulen deutlich verbessert.

Profilbildung wurde so zu einem wichtigen Teil der strategischen Hochschulplanung auf der einzelinstitutionellen Ebene. Strategische Planung war nicht der primäre Topos der klassischen Universitätslandschaft im Bereich der Lehre gewesen. Das Verständnis von Hochschulen als Unternehmen (auch dies wieder ein von Müller-Böling mit unermüdlicher Energie in die Debatte eingeführter Topos) bedingte eine strategische Planung.

Genauso können wir die Profilbildung mit der Debatte um Hochschulautonomie verbinden (auch dies wiederum ein von Müller-Böling immer wieder postulierter Topos).

Und damit wurde Profilbildung in einen engen systematischen Zusammenhang mit der institutionellen Verantwortlichkeit gestellt (auch dies wiederum von Müller-Böling immer wieder als Element der Pflichtenbindung unternehmerischer und autonomer Hochschulleitungen betont).

Dort, wo Studiengebühren erhoben werden können, wird sich die Studentennähe der Fachhochschulen dort, wo strategisch gedacht und mutig gehandelt wird, noch weiter profilbildend auswirken. Das berühmte „Ende der Fahnenstange“ ist auf dem Feld der Profilierung noch lange nicht erreicht.

Je nach den Gegebenheiten der Region und der Wissenschaftslandschaft kann dieses Profil Anknüpfungspunkt für manche weitere Entwicklungen werden, die an dieses Profil angedockt werden können, bis hin zum Kooperativen Graduiertenkolleg oder anderen Möglichkeiten postgradualer Studien, die sich heute vor allem im Forschungsbereich auftun.

Gleichwohl ist nicht zu verkennen, dass die hohen Erwartungen, die sich an das Angebot und die Inanspruchnahme von Master-Programmen gerichtet haben, noch nicht erfüllt wurden. Es ist sicherlich noch zu früh, hier zu einer validen Einschätzung zu kommen. Denn überwiegend werden erst ab 2008 und in den Folgejahren Bachelor-Absolventen auf die Arbeitsmärkte und, vermutlich überwiegend zeitlich versetzt, auf die Master-Märkte kommen. Und dass die Universitäten gerade im Master-Bereich ihre Forschungsstärke und ihre drittmittelgespeisten Personal- und Sachressourcen profilbildend und marktbezogen ausspielen werden, liegt auf der Hand.

Aber, und das ist die eigentliche qualitative Wende: Noch ist der alte Verbotskatalog nicht durchweg überwunden, vor allem im Bereich der Promotion und in der strategischen Freiheit, Studiengänge auch dort anzubieten, wo faktische oder rechtliche Monopole der Universitäten für den Artenschutz sorgen. Eine wirkliche Gleichberechtigung der Hochschularten gibt es bisher nicht. Das alles interessiert indessen die nachfragenden Studenten nur wenig: Wo die Fachhochschulen profiliert auf dem Markt sind, werden sie von Studieninteressenten als gleichberechtigt angenommen, im Positiven (wie im Negativen).

V. Evaluierung, institutionelle Akkreditierung, Stufung der Abschlüsse und Programmakkreditierung: Gefährden sie nicht sogar die Profilbildung?

Evaluierung als Mittel der Erkenntnis und institutionelle Akkreditierung als unverzichtbare Voraussetzung für den Betrieb privater Hochschulen sind hinsichtlich der Profilbildung auf Studienmärkten nicht unbedingt relevant. Erst wenn Evaluierung zugleich in Rankings eingeht, kann sie Marktpositionen verbessern oder auch verschlechtern (s. dazu unten unter VI).

Dass die institutionelle Akkreditierung vielleicht schon in naher Zukunft einen ganz anderen Stellenwert als heute bekommen könnte, weil die Programmakkreditierung an ihre Grenzen stößt, interessiert hier zunächst nicht.

Die Frage bleibt zu beantworten, welche Auswirkung die Programmakkreditierung auf das einzelne, institutionelle Profil hat bzw. haben wird.

Es tut vielleicht gut, sich daran zu erinnern, dass die früheren ministeriellen Einrichtungsverfügungen (auf Antrag der Hochschule) keinerlei profilierenden Stellenwert hatten, obwohl in jenen Jahren mutige und richtige strukturelle und inhaltliche Neuerungen von Studiengängen genehmigt wurden. Also nicht das Verfahren als solches, sondern der Gegenstand und das (positive) Ergebnis des Genehmigungsverfahrens trug zur institutionellen Profilbildung bei.

Ist dies durch die Programmakkreditierung anders geworden?

Solche Töne waren vor einem Jahrzehnt zu hören gewesen. Auch 2008 sind noch alle gestuften Abschlüsse an eine Programmakkreditierung geknüpft. Das Verfahren ist auf jedes einzelne Programm zugeschnitten, überwiegend als antizipierte Akkreditierung.

In den ersten Jahren dieser Neuorientierung haben sich einzelne Hochschulen durch die Schnelligkeit, mit der sie sich an die Verfahren machten, zu profilieren verstanden: „Alle Studiengänge sind akkreditiert“. Das waren aber nur Verfahrensprofile, die sich in dem Maße stillschweigend entwerteten, in dem sich die Hochschulen insgesamt auf die Stufung der Abschlüsse einließen. Inzwischen bietet eher die umgekehrte Aussage „Wir bleiben bei den bisherigen Diplomen“ noch einen gewissen Profilwert.

In der quantitativ-verfahrensbezogenen Umsetzung der Reform liegt folglich keine dauerhafte Profilbildung einer einzelnen Hochschule.

Auch die Feststellung, dass das Urteil der Peers über den „neuen“ Studiengang sachorientierter sei als die früheren ministeriellen Genehmigungsmaßstäbe, legitimiert vielleicht das Verfahren als solches, besser als das frühere ministerielle Verfahren (wäre im Übrigen zu hinterfragen), profiliert aber nicht die einzelne Hochschule.

Profilierung erfolgt also wie bisher über Inhalte und Strukturen der vorgeschlagenen Programme. Hier ist in den vergangenen Jahren eine gewisse Ernüchterung eingetreten.
Oft genug haben die Akkreditierungskommissionen der Agenturen folgenden Tatbestand vorgefunden: Die Hochschule L hatte bisher qualitativ unangefochten über Jahrzehnte beispielsweise einen (immer wieder modifizierten und von daher zeitgemäßen) Diplomstudiengang Bauingenieurwesen angeboten, und zwar in einem überregional vergleichbaren Konstrukt, das die problemlose Möglichkeit der Einstellung bundesweit eröffnet, aber sich nicht unbedingt durch besondere Originalität ausgezeichnet hatte. Es ist eben so, dass die Stabilität einer Brücke, eines jeden Bauwerks, nicht zu einem originären und originalen Profilbestand einer einzelnen Hochschule werden kann. Nun wurde erwartet, dass auf Hunderten von Seiten dargestellt wurde, ob und warum diese Fachbereichs-Leistung überhaupt erbracht werden konnte, und wo die Propria dieses Studiengangs lägen.

Das berühmte Paper Work, das in international orientierten Hochschulen aus englischen Genehmigungsverfahren bekannt war, hatte zur Überzeugung der Mehrheit seit jeher keinerlei Auswirkungen auf die Qualität der Lehre gehabt. Es interessierte auch nie die künftigen Studierenden im Sinne einer Profilbildung.

Zu den Propria: Diese sind profilierungsfähig, und das ist keine neue Botschaft. Neu war, dass nun praktisch von allen Studiengängen erwartet wurde, dass sie sich in irgendeiner Weise von anderen unterscheiden sollten: Die Überzeugungskraft auf den beiden Nachfragemärkten, die etwa ein „Studiengang Maschinenbau“ über Jahrzehnte unter diesem Namen unangefochten errungen hatte, löste sich auf in einen Legitimationszwang für Dutzende von Studiengängen, die zwar immer noch der Sache nach „Maschinenbau“ waren, aber durch phantasievolle Namensgebungen die berechtigte Frage nach ihrem eigentlichen Inhalt aufwarfen und mit viel Phantasie Propria hinzunahmen, nur um die Erwartungen der Akkreditierungskommission zu befriedigen.

Der profilbildende Neuigkeitswert eines Namens entwertete sich aber rasch, wenn jeder Studiengang, also schließlich Tausende von Studiengängen nun als „neue Studiengänge“ akkreditiert werden (müssen). Und dies in einem Studienniveau, für das bislang niemand den Fachhochschulen Kompetenz abgesprochen hatte.

Das schafft ein Labyrinth an immer mehr Studienangeboten, aus dem der Studieninteressent nun bereits vor der Immatrikulation, grundsätzlich alleingelassen, herausfinden muss. Früher eröffnete sich das Labyrinth erst gegen Ende des Grundstudiums, aber dies in einer Solidargemeinschaft der Studierenden und in der Alltagskommunikation in der Hochschule, also unter unvergleichlich besseren und vor allem verstandenen Bedingungen. Das hat nichts mit institutioneller Profilbildung zu tun, sondern ist für den tradierten Bereich von FH-Diplom-Studiengängen eine letztlich überflüssige Blaue Brille, die für sich keine neue profilierende Realität schafft. Nur wo Bachelor-Studiengänge, nicht anders als bisherige (neue) Diplom-Studiengänge, neue inhaltliche oder strukturelle Ansätze beinhalten, macht das Verfahren wirklich Sinn.

Ob diese Über-Akkreditierung nicht sogar die vielbeschworene Mobilität und Internationalität der Studierenden innerhalb der Bachelorstudiengänge hemmt (hierzu gibt es viele kritische Hinweise), kann noch nicht valide beurteilt werden. Das ist jedoch nicht das Thema dieses Beitrags.

Die für die Erarbeitung des Dossiers aufgewandte Zeit / Arbeitskraft und die Kosten für das Verfahren sind einer Profilierung nun auch nicht direkt hinderlich, nur begründen sie für sich nur im Ausnahmefall eine institutionelle Profilierung.

Profilbildung hingegen kann, wenigstens für die Fachhochschulen, in dem kleinen, feinen Kreis von Master-Studiengängen stattfinden, also dort, wo vor dem Hintergrund des Entwicklungsstandes der Fachhochschulen etwas wirklich Neues entsteht. Wenn man diese Relationen zwischen Bachelor und Master richtig einschätzt und an das Verfahren bei Bachelorstudiengängen nicht mit überzogenen Erwartungen an Profilbildung herangeht, dann kann man den Aufwand für die Akkreditierungsverfahren für Bachelorstudiengänge zumindest gelassener tragen.

Ein Vorteil hingegen, der – auch im Hinblick auf die langfristigen Effekte – nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, zunächst aber unmittelbar noch nichts mit Profilbildung zu tun hat, liegt in der personellen Verbindung von Peers aus unterschiedlichen Hochschularten innerhalb einer Akkreditierungskommission. Die Einbeziehung von beruflich ausgewiesenen Experten hingegen war für die Fachhochschulen seit jeher selbstverständlich gewesen.

In diesen Kommissionen wird für den Master-Bereich auch die Botschaft von der Bildung von Clustern vermittelt, also die Verbindung von hochwertiger Lehre zu hochwertigen Forschungsschwerpunkten. Das ist eine Botschaft, die nicht unbedingt neu ist, aber deren Aussagen nicht nur den Studienbereich, sondern den gesamten Leistungsbereich einer Hochschule deutlich verändern können.

Die Akkreditierungsverfahren begründen folglich für sich alleine für den Großteil der „neuen“ Bachelorstudiengänge letztlich keine profilierende Wirkung, sie können jedoch für den Master-Bereich und weitere Postgraduierungsangebote die entscheidenden Voraussetzungen zur institutionellen Profilierung schaffen.
VI. Ranking

Ranking schafft Transparenz. Ranking funktioniert von seinem Wesen her überinstitutionell und enthält Aussagen über institutionelle Tatbestände, also in der Regel auch über institutionelle Profile.

Jedem Ranking haftet (wohl unvermeidlich) ein Element (zumindest empfundener) Ungerechtigkeit an, weil es notgedrungen holzschnittartig sein muss, also lokale, regionale Bedingungen weitgehend ausblenden muss. Da hilft kein Klagen: Natürlich ist ein studentisches Publikum in Hamburg anders verfasst als eines in einer südwestdeutschen Mittelstadt. Und dass Studierende in einer großen Universität nicht so behandelt werden können wie in einer kleinen spricht nicht unbedingt gegen die akademische Qualität der größeren Einrichtung.

Die gerankten Positionen sind jeweils institutionelle Positionen. Diese treten aus dem Nebel der Selbstbeweihräucherung hinaus in das Licht eines interinstitutionellen und interpersonalen Urteils, ggfs. auch eines (revidierbaren) Fehlurteils.

Ein Ja zur Profilbildung ist daher auch ein unbedingtes Ja zum Ranking. Es war auch dieser innere Zusammenhang zwischen Profilbildung und Ranking , dessen Betonung im Wirken von Müller-Böling für das CHE wesentliche Wirkungen für eine Erneuerung der Hochschulen insgesamt entfaltet hat.

Ranking ist ein Motor für institutionelle Anstrengungen, nicht nur ein (zeitgebundener) Beleg für institutionelle Profilbildung. Erst das Ranking hat die Profilbildung aus einer mehr oder weniger freien Entscheidung von Hochschul- und Fachbereichsleitungen zur Notwendigkeit erhoben.

VII. Lohnt sich institutionelle Profilbildung?

Die Frage stellt sich heute nicht mehr. Hochschulentwicklung und Profilbildung sind untrennbar miteinander verwoben. Institutionelle Profilbildung „lohnt sich“ nicht nur, sie ist zugleich unverzichtbare Legitimation für die (weitgehend von staatlicher Seite) bereitgestellten Ressourcen und fast schon raison d´?tre für die Institution als solche.

Institutionelle Profilbildung ist aus dem Prädikat „nice to have“ zu einem „must“ geworden.

In diesem Sinne verändert die Summe der institutionellen Profilierungsansätze letztlich schrittweise auch das überinstitutionelle Profil der deutschen Hochschullandschaft. Diese stellt sich nach zwei Jahrzehnten Profilierung insgesamt als eine wesentlich bewegtere, systemoffenenere Landschaft dar. Vieles bleibt noch zu tun, aber der Übergang von einer systemischen / dichotomischen zu einer individuellen Profilierung hat dem deutschen Hochschulsystem insgesamt gut getan und hat damit den Übergang zu einem neuen Verständnis systemischer Profilierung bewerkstelligt, in der nicht Verbote und Grenzen, sondern Öffnung und Wagemut gefragt sind und deren Resultate Positionen verändern können.

Müller-Böling sei dafür gedankt, dass er seine Intelligenz in die rationale Aufbereitung dieser hier nur gestreiften Zusammenhänge gestellt hat, dass er sich aber mit der Erkenntnis selbst nicht begnügt hat und die Kraft seiner Persönlichkeit und sein Charisma über diese vielen Jahre im CHE hinweg unermüdlich in den Dienst dieser Entwicklung gestellt hat. Den Rubikon haben die Hochschulen überschritten. Dies zu wissen, wird ihm den Rückzug aus dem Tagesgeschäft gewiss erleichtern.

Was wünscht er sich wohl als Dank dafür? Dass wir uns nicht mit dem begnügen, was erreicht wurde, sondern täglich zu neuen Ufern aufbrechen.

Ronald Mönch

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