Petra Giebisch
Centrum für Hochschulentwicklung
„Wir werden einen Studienführer veröffentlichen, der die Hochschullandschaft in Deutschland beeinflussen wird. Wenn du dabei sein willst, sei morgen um 7.45 Uhr im Brinksitzerweg, wir besprechen dann alles weitere auf der Fahrt nach Gütersloh.“
Dieses Telefonat beschreibt zunächst einmal die für Detlef-Müller-Böling charakteristischen kurzen Entscheidungswege, zum anderen hörte ich auf diese Weise zum ersten Mal vom CHE-HochschulRanking, das 1997 noch niemand „Ranking“ zu nennen wagte und das noch längst keinen Namen hatte. Klar wollte ich dabei sein!
In Gütersloh waren mit Zeitanteilen Jutta Fedrowitz, Andreas Barz, Olaf Kurpiers und nun auch ich in das Projekt eingebunden, unterstützt von einer Heerschar studentischer Hilfskräfte. Die vielen studentischen Hilfskräfte waren erforderlich, um eine Inhaltsanalyse der Vorlesungsverzeichnisse durchzuführen. Denn dies war die ursprüngliche Idee: die Informationen aus den Vorlesungsverzeichnissen zu ergänzen um ein paar Daten aus einer Befragung der Fachbereiche, zuzüglich der Befragung von Studierenden und der Professoren. Schon bald zeigte sich, dass die Auswertung der Vorlesungsverzeichnisse nicht zu zufriedenstellenden Ergebnissen führen würde, aber zu dem Zeitpunkt waren wir schon fast in einer wahren Papierflut ertrunken. Denn der heute so bequeme Informationszugang über das Internet konnte 1997 noch nicht genutzt werden; die dort verfügbaren Daten waren unvollständig bzw. wurden nicht laufend gepflegt.
Überhaupt gestaltete sich die Kommunikation projektintern wesentlich umständlicher als heute. Während wir im CHE dank unseres technikbegeisterten CHEfs schon mit der Nutzung der E-Mails vertraut waren, tat sich unserer damaliger Kooperationspartner, die Stiftung Warentest in Berlin, damit etwas schwerer. Statt E-Mails wurden Papier und Disketten hin und her geschickt, die Abstimmungsprozesse waren umständlicher und dauerten entsprechend länger. Besonders kritisch wurde die Abstimmung in der Phase der Schlussredaktion des Heftes: Die Zeit wurde immer knapper und noch immer waren Fehler in den Druckfahnen. Detlef Müller-Böling unterstützte uns tatkräftig: Anfang April 1998 stand er morgens mit einem riesigen Blumenstrauß vor meiner Haustür, gratulierte mir zum Geburtstag, wir setzen uns an den Esstisch und korrigierten gemeinsam bis nachmittags die Tabellen mit den vielen Zahlen und den grünen, gelben und roten Punkten, die auch heute noch das Ranking prägen.
Auch wenn die Arbeitsweisen und Technikunterstützung sich geändert haben, eines ist über die Jahre unverändert geblieben: die Akzeptanzarbeit in den Hochschulen hat einen nach wie vor hohen Stellenwert. Wie wichtig die persönliche Kommunikation in diesem Projekt ist, zeigte sich, als die Dekanekonferenz BWL der Fachhochschulen ihren Mitgliedern von einer Beteiligung an der Befragung der Fachbereiche abgeraten hatte. Mit vielen erläuternden Briefen und Einzelgesprächen mit Dekanen konnten dennoch die meisten Fachbereiche von dem zugrunde liegenden Konzept und damit der Teilnahme überzeugt werden. Aber auch an Universitäten herrschte Skepsis bis Empörung gegenüber einem solchen Vergleich. Es wurde die Frage aufgeworfen, ob sich – Stiftung Warentest! – Universitäten wie Babynahrung, Wäschetrockner und Mobilfunktarifevergleichen und in ein Ranking stellen lassen.
Von 1999 bis 2004 wurde der Studienführer beim Wochenmagazin „stern“ veröffentlicht, unserem damaligen Kooperationspartner. Nach dem Pilotprojekt der wirtschaftswissenschaftlichen Fächer und der Chemie waren Jura, Mathematik, Informatik und Physik hinzugekommen. Im ersten Sonderheft „start“ konnten noch alle Ergebnisse im Detail abgedruckt werden. Aber es wurde schnell klar, dass die Fülle an Informationen für die Studieninteressenten eine zusätzliche Orientierungshilfe erforderte. So erschienen die Ergebnisse im start-Studienführer 1999 als „Hochschulcharts“ mit beigefügter CD. Diese enthielt bereits eine Fülle an Informationen zu Hochschulen, Fächern, Studiengängen und Studienorten. Und die erste Version eines persönlichen Rankings. Sieben Indikatoren konnten ausgewählt werden. Herrn Müller-Bölings Lieblingsindikator war von Anfang an dabei: die Miete.
Das Fach Jura sorgte im Projektteam im Nachhinein noch für eine Überraschung. Es sind mittlerweile 35 Fächer in die Untersuchung einbezogen, aber Jura ist das einzige Fach, bei dessen erstmaliger Veröffentlichung niemand, aber auch gar niemand auf die Ergebnisse reagiert hat. Das sollte sich allerdings in den Folgejahren ändern.
Im Projektteam 1999 unterstützte uns Birgit Henschel-Neumann als freie Mitarbeiterin. Stefan Hornbostel, der schon in der Konzeptionsphase 1997 beratend zur Seite gestanden hatte, stieg in das Projekt ein, und stellte damals die auch heute immer noch aktuelle Frage: Evaluation und Ranking – Führen sie zu mehr Transparenz und Vergleichbarkeit? (in: Hochschulrektorenkonferenz (Hrsg.): Beiträge zur Hochschulpolitik 4, 1999, S. 81-96). Petra Buhr war u.a. für die Befragung der Studierenden verantwortlich. Und zwei Externe, beauftragt vom stern, stiegen 1999 in das Projekt ein und sind bis heute darin tätig: Christoph Fröhlich, der von Beginn an die vielfältigen Programmieraufgaben übernommen hat, und Søren Dettmer, der die grafische Umsetzung der Daten für die Print-Publikation übernommen hat.
Der start-Studienführer 2000 zeichnete sich durch eine ganz besondere Brisanz aus. Als „Erste Hilfe für das Studium“ erschien auf dem Titel eine Krankenschwester, die im Erste-Hilfe-Koffer die Daten-CD mit sich trug. Veröffentlicht wurde nach Einspruch seitens des CHE schließlich eine entschärfte Version, im ursprünglichen Entwurf waren die Absätze Stilettos und der Rock noch viel kürzer. Der Akzeptanz des Rankings war die Aufmachung nicht abträglich – die persönliche Referentin des damaligen Hamburger Universitätspräsidenten konstatierte am 17.10.2000 im Hamburger Abendblatt: „Rankings sind aus der Meinungsbildung nicht mehr wegzudenken.“ 2000 kamen mit Sonja Berghoff, Gero Federkeil und Cort-Denis Hachmeister drei Mitglieder des heutigen Projektteams zum CHE.
Die Titelbilder der folgenden Jahre hatten glücklicherweise sehr viel stärker die Zielgruppe Abiturienten und junge Studierende im Visier. Und mit dem Studienführer 2001 feierte eine weitere Entwicklung Premiere: erstmals gab es alle Daten vollständig im Internet. Damit wurde das persönliche Ranking noch einmal komfortabler, es konnten alle gerankten Indikatoren in den Vergleich einbezogen werden, zudem stand den Hochschulen sehr viel mehr Raum für individuelle Texte zur Verfügung.
Bei der Veröffentlichung des Hochschulrankings 2002 wurden wir von einem ganz besonderen sportlichen Ehrgeiz gepackt. Der Veröffentlichungstermin stand schon lange fest und war auch öffentlich bekannt, als wir Stimmen hörten, dass ein anders Magazin ein Uniranking herausgeben wollte. Das Veröffentlichungsdatum konnten wir erst sehr spät und über einige Umwege in Erfahrung bringen: Es sollte der Montag vor unserer eigenen geplanten Veröffentlichung am Donnerstag sein. Die Redakteure beim stern und das Rankingteam haben darauf hin alles daran gesetzt, unseren Veröffentlichungstermin um eine Woche vorzuverlegen – und es auch geschafft. Es war in dieser Zeit der einzige Sonntag Abend, an dem ich keine Werbung zu Fakten, Fakten, Fakten gehört habe.
Im Juli 2002 erschien zum ersten Mal das LänderRanking, im Herbst das ForschungsRanking. Erstmals wird das CHE-Ranking auch international sichtbar wahrgenommen. Auf einer Tagung der UNESCO- Organisation CEPES (European Center for Higher Education) in Warschau wird neben dem methodischen Ansatz auch die Art der Ergebnispräsentation lobend hervorgehoben: „A strong example is the CHE-stern ranking system which allows consumers to use technology to select which features they think are most important in ranking a university“.
Christel Gründel sorgt seit 2002 im Sekretariat u. a. für einen reibungslosen Ablauf der Kommunikation mit den Hochschulen. Die Zahl der Blatt Briefpapier, die in diesen Jahren über ihren Schreibtisch gingen, beläuft sich auf mehrere Zehntausend.
Auszüge aus dem CHE-Hochschulranking wurden seit 1999 auch im Wochenmagazin „stern“ veröffentlicht. Verständlicherweise war es von Anfang an unser Bestreben, mit dem Ranking auf die stern-Titelseite zu kommen. In jedem Jahr rangen wir darum, endlich, 2003, hatten wir es geschafft: die aktuelle stern-Ausgabe mit dem CHE-Hochschulranking war gedruckt Dann kamen aber traurige Ereignisse aus dem aktuellen Tagesgeschehen dazwischen: der stern trauerte um seinen im Irak-Krieg gefallenen Reporter, der Titel wurde in letzter Minute mit einer Trauerseite überklebt. Weitere Bemühungen hat es danach leider nicht mehr gegeben.
Der daad stellt seit 2003 eine englischsprachige Version des Rankings ins Internet und bietet damit ausländischen Studierenden, die die Deutschland studieren möchten, eine breite und gut besuchte Informationsplattform.
2004 wurden für die Fächer Anglistik/Amerikanistik und Elektro- und Informationstechnik erstmals Ergebnisse österreichischer Universitäten im CHE-Ranking ausgewiesen. Mit einer groß angelegten Absolventenstudie können die rückblickenden Beurteilungen der Bedingungen in Lehre und Forschung im Fach Medizin ausgewiesen werden. Pünktlich zu Weihnachten erreicht uns dann ein dickes Lob: „The CHE-Ranking is the best I´ve ever seen.“ So fasste der Chairman der von der UNESCO eingerichteten IREGroup (International Ranking Experts Group), Jamie Merisotis, die Ergebnisse eines Workshops dieser Vereinigung zusammen.
Seit 2005 kooperieren wir nun mit der Wochenzeitung „DIE ZEIT“. Auch hier gibt es ein Sonderheft – den „ZEIT-Studienführer“, eine ausführliche Berichterstattung in der Wochenausgabe der ZEIT selbst und natürlich einen weiter ausgebauten Internetauftritt. Erstmals ist 2005 ein trinationaler Vergleich von deutschen, österreichischen und Schweizer Hochschulen möglich, die internationale Ausrichtung wurde bis 2008 mit den Niederlanden und der deutschsprachigen Universität Bozen in Italien weiter ausgebaut. 2005 unterstützte Meike Siekermann das Ranking-Team bei der bibliometrischen Analyse, Öffentlichkeitsarbeit und Internetauftritt.
2006 war das CHE Gastgeber des Treffens der „International Ranking Expert Group“ (IREG) in Berlin, auf dem die wegweisenden „Principles on Rankings of Higher Education Institutions“ verabschiedet wurden.
Seit diesem Jahr erscheint in loser Folge die Veröffentlichung „Indikator im Blickpunkt“, in der ausgewählte Indikatoren des Rankings tiefer gehend analysiert werden.
In Kanada startet nach dem Vorbild des CHE-HochschulRankings ein webbasierter interaktiver Hochschulvergleich („universitynavigator“). Alex Usher, Vize-President des Educational Policy Institute (EPI), stellt bei der Begründung der Initiaive die Vorzüge des CHE-Rankings heraus: „The Centre for Higher Education Development has come up with a set of web-based „rankings“ which are, for the moment, unique. “
Mareike Hennings übernimmt im Team die Teilprojekte Studierendenbefragung sowie Hochschullehrerbefragung.
Das Jahr 2007 ist durch eine zunehmend internationale Ausrichtung des Rankings geprägt. Statt einer flächendeckenden Einbindung ganzer Länder im HochschulRanking werden künftig Universitäten und Fachhochschulen im europäischen Raum eingeladen, sich am Ranking zu beteiligen.
Im November erscheint, ebenfalls mit dem Kooperationspartner ZEIT, in vier ausgewählten Fächern das ExcellenceRanking, ein europaweites Ranking von rund 500 Fachbereichen an etwa 250 Hochschulen in 20 Ländern. Das ExcellenceRanking gibt Absolventinnen und Absolventen, die sich in Masterstudiengängen oder Promotionsprogrammen europaweit weiterqualifizieren wollen, eine Orientierungshilfe. Seit 2007 gehört Isabel Roessler dem HochschulRanking Team an, Uwe Brandenburg und Diane Carr haben sich dem ExcellenceRanking verschrieben.
In diesem Jahr ist der elfte Studienführer erschienen, im Internet nun auch mit einer komplett englischsprachigen Ausgabe. Auf die Daten im Internet wird monatlich mehr als 1 Million Mal zugegriffen.
Pro Jahr wird eine Viertel Million Studierende in die Befragung einbezogen, mehr als 200.000 Einzeldaten stehen im Netz. Aus der ursprünglichen Idee der Inhaltsanalyse der Vorlesungsverzeichnisse mit ergänzenden Daten hat sich ein komplexes Projekt entwickelt, das hohe internationale Anerkennung genießt.
Toll, dass ich von Anfang an dabei sein konnte.
Petra Giebisch