Die Gründung des CHE und seine Bedeutung für die Hochschulentwicklung

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Dr. Gunter ThielenGunter Thielen
Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung

Die Bertelsmann Stiftung versteht sich von je her als eine Förderin des Wandels für eine zukunftsfähige Gesellschaft. Als solche sieht sie sich auch als „Motor“ von Reformen im Bildungsbereich. Dabei ist sie unabhängig und politisch neutral.
Vor diesem Hintergrund ist die Gründung des CHE Centrum für Hochschulentwicklung GmbH gemeinsam mit der Stiftung zur Förderung der Hochschulrektorenkonferenz im Jahr 1994 zu sehen.
Sie erfolgte, nachdem die Bertelsmann-Stiftung schon seit 1986 die Universität Herdecke gefördert und einen Arbeitsbereich „Hochschule“ eingerichtet hatte.
1990 dann sollten mit der Vergabe des Carl Bertelsmann-Preises neue Anstöße für eine längst überfällige Reform des Hochschulwesens gegeben und durch die Auszeichnung von beispielhaften Initiativen Entwicklungsmöglichkeiten für eine fortschrittliche Hochschulpolitik aufgezeigt werden. Der Staat solle dabei, so die Auffassung der Stiftung, lediglich die politischen Rahmenbedingungen vorgeben, den Hochschulen jedoch die Erfüllung der vorgegebenen Ziele übertragen.

Doch erst die Gründung des CHE, als dessen Leiter Prof. Dr. Detlef Müller-Böling als damaliger Rektor der Universität Dortmund gewonnen werden konnte, der die Zukunft der Hochschule als autonom, wissenschaftlich, profiliert, dem Wettbewerb verpflichtet und wirtschaftlich sowie international sah, und dessen Ziel es war, die Leistungsfähigkeit der Hochschulen zu fördern und ihre Evolutionsfähigkeit zu stärken, brachte Bewegung in das deutsche Hochschulsystem.

Die Gründung des CHE wurde von vielen Medien kommentiert: „Vom nächsten Jahr an soll das Institut nach den Worten des Vorstandsvorsitzenden der Bertelsmann Stiftung, Reinhard Mohn, dazu ‚unabhängige Ziele definieren, Konzepte entwickeln und mit ausgewählten Hochschulen Pilotprojekte umsetzen.'“ (DIE WELT, 05.03.94). Doch die Gründung des CHE war, wie nicht anders zu erwarten, von Beginn an umstritten: „Man stelle sich bloß vor: Ein Unternehmer ‚kauft‘ sich ein in unsere freien Universitäten! Ein Studentensturm auf den Gütersloher Stiftungssitz wäre in früheren Zeiten die Antwort gewesen.“ schrieb DIE ZEIT am 03.06.94, während die ersten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Haus der Bertelsmann Stiftung die Arbeit aufgenommen hatten und gemeinsam mit Beraterinnen und Beratern aus Hochschulen erste Projekte planten.

Die Projektarbeit sollte ein Marken- und Qualitäts-Zeichen des CHE werden und bleiben. In Projekten wurden zahlreiche wichtige Themen er- und bearbeitet, die auf die Entwicklung der Hochschulen Einfluss nehmen sollten.

Die Projekte des CHE wirken auf den verschiedenen Ebenen des Hochschulsystems in das Hochschulsystem hinein: auf der Ebene der Ministerien, auf der Hochschulebene, auf Fachbereichsebene sowie auf der Ebene der Öffentlichkeit, der Information und der Medien.
Das Thema „Hochschulautonomie“ wurde z.B. durch die Begleitung eines fünfjährigen Modellversuchs „Autonomie Niedersachsen“ (Modellvorhaben für eine Erprobung der globalen Steuerung von Hochschulhaushalten in Niedersachsen) des niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur begonnen, der 1999 endete. Heute hat Niedersachsen fünf weitgehend autonome Stiftungshochschulen.
Auf Hochschulebene wurde mit den Fachhochschulen Dortmund und Bochum zuerst das Thema „Wirtschaftlichkeit“ angegangen, denn bisher hatte noch keine Hochschule ein Kostenrechnungssystem entwickelt. Das Thema „Profilbildung“ wurde ebenfalls mit mehreren Hochschulen bearbeitet, hier sind insbesondere die Hochschulen für Musik in Detmold und Karlsruhe zu nennen.

Auf der Ebene der Fakultäten und Fachbereiche hat das CHE ab 1995 mit Projekten, z.B. zur Strukturentwicklung und Profilbildung in einer Philosophischen Fakultät oder zur Fachbereichsentwicklung durch Zielvereinbarungen oder der Evaluation der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster, Pionierarbeit geleistet.

Die interessierte Öffentlichkeit diskutierte immer wieder Themen, die zwar nicht nur vom CHE, sondern auch von anderen Institutionen des Hochschulsystems wie der HRK oder dem Stifterverband für die deutsche Wissenschaft vertreten wurden, jedoch vom CHE in besonderer Weise begründet und veröffentlicht wurden.
So legte das CHE 1995 ein verfassungsrechtliches Gutachten vor, aus dem hervorging, dass „einer Mitwirkung der Hochschulen an der Entscheidung über den Hochschulzugang …verfassungsrechtlich nicht entgegen“ steht. Diesem Gutachten folgte eine Diskussion über Studierendenauswahl durch die Hochschulen sowie zahlreiche CHE-Studien und Publikationen über Auswahlverfahren, Kapazitätsplanung sowie Einflussfaktoren der Studienentscheidung.
Ein erster Kongress über Modelle von Studiengebühren war der Startpunkt einer bis heute kontroversen aber notwendigen hochschulpolitischen Debatte, in der das CHE Teils mit, teils ohne Projektpartner immer die Chancen betonte, auf diese Weise die staatliche Unterfinanzierung der Hochschulen zu lindern und die Lehre zu verbessern. Dabei hat es sich gleichzeitig für Darlehensysteme zur Finanzierung der Gebühren sowie für Regelungen zur Befreiung von Gebühren eingesetzt. In diesem Jahr wird das CHE zum dritten Mal seinen Studienkredit-Test mit einer differenzierten und ausführlichen Übersicht über die existierenden Studienkredit- und Beitragsdarlehensangebote in Deutschland veröffentlichen.

Veröffentlichungen und Transparenz sind weitere Stichworte, an denen sich die Arbeit des CHE und seine Bedeutung für die Hochschulentwicklung festmachen lassen. Schon früh hat es mit dem Newsletter CHEck up ein Instrument entwickelt, das jeder Interessierte zur persönlichen Information abonnieren konnte. Es folgten seine Website, eine Publikationsreihe im Verlag der Bertelsmann Stiftung, später ein elektronischer Newsletter Checkpoint, der von mehr als 5.000 Abonnenten bezogen wird. Die Ergebnisse seiner Projekte veröffentlicht das CHE in Arbeitspapieren, die als downloads erhältlich sind und folgt so den Vorgaben der beiden Gesellschafter HRK und Bertelsmann Stiftung. Inzwischen sind mehr als 100 Arbeitspapiere erschienen.
Seit der Eröffnungstagung im Januar 1995 über „Qualitätssicherung in Hochschulen“ sind die ein- bis zweimal jährlich stattfindenden Symposien des CHE gut besuchte Foren für Themen der Hochschulreform. Häufig wurden die Symposien gemeinsam mit Projektpartnern wie der HIS GmbH, dem Deutsche Akademische Austauschdienst, der Britischen Botschaft oder mit Wissenschaftsministerien durchgeführt, auch ausländische Institutionen wie das QSC der Open University, London, die University of California at Berkeley oder die Stanford University waren Partner des CHE. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Hochschulen, Ministerien und anderen Wissenschaftsinstitutionen sowie die Pressevertreter lassen sich auch von gelegentlich ausgefallenen Veranstaltungstiteln wie „Uni-www.ersity.de“ (für das Thema der „Virtuellen Hochschule“) nicht abhalten zu kommen, sich zu informieren und offen zu diskutieren.
Das CHE bietet den Universitäten und Fachhochschulen jedoch nicht nur virtuelle, sondern auch sehr praktische Unterstützung an, z.B. mit dem „Hochschulkurs“, einer Reihe von Fortbildungsveranstaltungen für das Wissenschaftsmanagement, die seit dem Jahr 2000 bis heute mit ca. 100 Workshops insbesondere Führungskräfte an Hochschulen unterstützt hat.

Praktische Unterstützung können die Hochschulen seit 2001 auch von der Ausgründung des CHE erhalten, der CHE Consult GmbH, einer Unternehmensberatung für Hochschulen. CHE Consult führt auch im Auftrag von Ministerien oder Stiftungen Projekte durch, die geeignet sind, die Handlungsfähigkeit der Hochschulen und des Hochschulsystems zu steigern. So ist CHE Consult z.B. von der Bertelsmann Stiftung beauftragt das Projekt „Demographischer Wandel und Hochschulsystem“ durchzuführen, in dem die unterschiedlichen Auswirkungen der doppelten Abiturjahrgänge einerseits und des Bevölkerungsrückgangs andererseits auf die Hochschulen in Ost- und Westdeutschland untersucht werden.

Von ganz besonderer Bedeutung für die Entwicklung der Hochschulen in Deutschland ist jedoch das vom CHE entwickelte HochschulRanking und seine jährliche Publikation. Häufig wird das CHE sogar in erster Linie mit den HochschulRanking identifiziert. Es erschien erstmalig 1998 als „test Spezial“ der Stiftung Warentest und wurde von der ZEIT als „Baedeker für Studenten“ (DIE ZEIT, 14.05.1997) bezeichnet, der den Weg zur richtigen Hochschule weist. Zunächst als „Studienführer“ gedacht, erwies es sich jedoch schnell auch als Informationsmedium für die Hochschulen selbst, auch wenn nicht jeder Rektor den Vergleich schätzte. So äußerte sich der Rektor der Düsseldorfer Universität, zu den Planungen des CHE befragt, in der Süddeutschen „Ich bin entsetzt. Der Rang einer Hochschule wird festgestellt unmittelbar zwischen Babywindeln und Handy-Tarifen“ (Süddeutsche Zeitung, 05.07.97).
Das CHE-HochschulRanking steht auch für besondere Medienpartnerschaften: 1999 kam es als 260-seitiger Hochschulvergleich als „Start“-Heft der Zeitung „Stern“ heraus und enthielt eine CD-ROM. DIE WELT schrieb damals (11.09.1999): „Speziell in Deutschland gaben die Ranglisten der Montagsmagazine mehr einen Wohlfühlindex denn einen Gradmesser akademischer Qualität her. Mittlerweile ist das Verfahren jedoch so weit entwickelt, dass es einen Informationswert hat. Die ‚US-News‘-Listen wie die des ‚Stern‘-Sonderhefts ‚Die Hochschulcharts‘ (1999), das zusammen mit dem Centrum für Hochschulentwicklung verfasst wurde, sind so differenziert, dass sie die Kritiker leicht widerlegen.“ Im Jahr 2002 folgte den HochschulRanking das ForschungsRanking, dessen Ziel es ist, die Forschungsleistung der bundesdeutschen Universitäten transparent zu machen.
Seit 2005 wird das CHE-HochschulRanking von der Wochenzeitung DIE ZEIT herausgegeben. Es stellt heute das umfassendste und detaillierteste Ranking deutscher Universitäten und Fachhochschulen dar. Es umfasst insgesamt 35 Fächer und spricht damit mehr als drei Viertel aller Studienanfänger an. Neben Fakten zu Studium, Lehre, Ausstattung und Forschung umfasst das Ranking Urteile von über 250.000 Studierenden über die Studienbedingungen an ihrer Hochschule sowie die Reputation der Fachbereiche unter den Professoren der einzelnen Fächer. Seit seinem Bestehen hat es sich sowohl bei der Zielgruppe der Studienanfänger als auch bei Studierenden und in den Hochschulen als fair, informativ und qualifiziert durchgesetzt. Alle Ergebnisse des HochschulRankings sind im Internet frei zugänglich, die Hochschulen interessieren sich für Sonderauswertungen.

Es war Detlef Müller-Bölings Ziel, mit Hilfe des CHE Centrum für Hochschulentwicklung die Hochschulen zu entfesseln und ihnen und den für die Hochschulen zuständigen Ministerien dafür Leitlinien, Informationen, Kooperation und Unterstützung anzubieten. Noch ist eine Reihe von Hochschulen von der Autonomie weit entfernt, einige wollen sich ihr auch nicht nähern. Viele, sehr viele Universitäten und Fachhochschulen, aber auch etliche Ministerien haben die Kompetenz des CHE genutzt und werden sie weiter nutzen. Einige sind der geforderten Autonomie sehr nahe gekommen. Es ist nicht völlig auszuschließen, dass diese Entwicklung auch ohne das CHE in diese Richtung gegangen wäre, jedoch mit Sicherheit nicht auf so vielen Ebenen, nicht so nachhaltig und, verglichen mit anderen Reformvorhaben in der Bundesrepublik Deutschland, nicht in so kurzer Zeit.

Das Anliegen von Reinhard Mohn und der Bertelsmann Stiftung war und ist es, der Politik, dem Staat und der Gesellschaft, Lösungen aufzuzeigen, mit denen die Zukunft gestaltet werden kann. Das CHE hat mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unter der Leitung von Detlef Müller-Böling solche Lösungen für die Hochschulen entwickelt, um die gleichsam unternehmerische Führung der Hochschulen zu ermöglichen und ihre Effektivität und Effizienz nachhaltig zu verbessern.

Ihnen, lieber Herr Müller-Böling, gilt mein Dank und der Dank des Vorstands der Bertelsmann Stiftung, für Ihre Expertise, Ihr Engagement, Ihre Energie und für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Bertelsmann Stiftung. Ich hoffe sehr, dass Sie dem CHE und der Bertelsmann Stiftung weiterhin mit Ihrem Rat und Ihrer Erfahrung zur Seite stehen werden.

Gunter Thielen

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