Dr. Jörg Dräger
Wissenschaftssenator der Freien und Hansestadt Hamburg a.D.
Lieber Herr Müller-Böling, Sie hinterlassen verdammt große Fußstapfen! Kaum einer hat die deutsche Hochschullandschaft so in den letzten Jahren geprägt und verändert wie Sie es durch Ihr Fachwissen, Ihre Persönlichkeit und Ihre Beharrlichkeit geschafft haben.
Als ich 1999 in das deutsche Wissenschaftsmanagement einstieg, tauchten schnell die Stichworte CHE, entfesselte Hochschule und Müller-Böling auf. So richtig kennen und insbesondere schätzen gelernt habe ich Sie dann im Sommer 2002 als ein äußerst aktives Mitglied der Hamburger Strukturkommission unter Leitung von Klaus von Dohnanyi. Die Kommission sollte eine grundlegende und langfristig angelegte Hochschulreform für Hamburg entwerfen, und zwar eine umsetzbare Reform aus einem Guss, bei der es weder Luftschlösser unrealistischer noch „Rosinenpickerei“ bequemer Empfehlungen geben sollte.
Die hochkarätig besetzte Expertenkommission legte bereits im Januar 2003 ihre Empfehlungen mit tief greifenden strukturellen Veränderungsvorschlägen vor: die flächendeckende Einführung des Bachelor-/ Master-Studiensystems, nachfrageorientierte Kapazitäten, die Steuerung der Hochschulen nach Absolventen, strikte Schwerpunktsetzungen in der Forschung, die Schaffung flexibler sowie entscheidungs- und innovationsfreudiger Organisationsstrukturen, eine größere Internationalisierung sowie eine Behebung der Unterfinanzierung. Bereits wenige Monate später verabschiedete der Senat die Umsetzung der Empfehlungen. Mit dieser Grundsatzentscheidung wurde der Rahmen für die Umgestaltung des Hamburger Hochschulsystems gelegt.
Fünf Jahre nach Vorlage des Kommissionsberichts hat sich die Hamburger Hochschullandschaft grundlegend verändert, der umfangreichste Erneuerungsprozess des Hamburger Hochschulsystems seit Jahrzehnten ist eingeleitet und in großen Teilen umgesetzt: Langjährige Blockaden wurden aufgehoben, Ressourcen gebündelt, strukturelle Fehlentwicklungen korrigiert und zukunftsorientierte Schwerpunkte gesetzt. Auch sind die ersten Erfolge der Strukturreform sichtbar:
- Alle Studiengänge sind in Hamburg (bis auf Jura, Medizin und Kunst) auf das Bachelor-/ Master-Studiensystem umgestellt.
- Die Zahl der Hochschulabsolventinnen und -absolventen in Hamburg ist in nur fünf Jahren um über 30% gestiegen.
- In der Forschungsförderung wurde das „Prinzip Gießkanne“ durch konsequente Schwerpunktförderung abgelöst.
- Kleinteilige Fachbereiche wurden zu größeren Fakultäten zusammengeführt, gleichartige Studienangebote auch durch Hochschulfusionen bzw. -neugründungen gebündelt. Die Anzahl der Entscheidungsgremien in den Hamburger Hochschulen wurde deutlich um 275 reduziert.
- Die Autonomie der Hochschulen wurde weiter gestärkt, indem eine Vielzahl von (vorher behördlichen) Genehmigungs- und Entscheidungskompetenzen auf die Hochschulen übertragen wurde.
- Und auch der Staat hat seine Zusagen eingehalten: das Wissenschaftsbudget wurde um 22% erhöht und finanzielle Planungssicherheit bis mindestens 2011 gewährt. Dazu kommen noch die durch die Studiengebühren erhobenen Mittel.
Mit den Empfehlungen bzw. ihrer Umsetzung haben wir uns nicht nur Freunde gemacht. Zumindest das erste gemeinsame Photo von uns erhielt zwangsweise einen unerwartet maritimen Anstrich:
Herr von Dohnanyi, Sie und ich bekamen bei der Vorstellung der Empfehlungen der Strukturkommission einige Fische auf den Tisch geworfen. Dies war nach der im Jahr zuvor durch den AStA erfolgten Geiselnahme von drei Goldfischen nur der Beginn einer lebhaften Auseinandersetzung über den Weg, den Hamburgs Hochschulen einschlagen sollten. Fünf Jahre nach den Empfehlungen der Strukturkommission gestehen allerdings auch Kritiker ein, dass die Hamburger Wissenschaft die empfohlenen Veränderungen nötig hatte, um sich wieder stärker auf Qualität und Exzellenz zu besinnen bzw. besinnen zu können.
Lieber Herr Müller-Böling, Sie haben die Reform der Hochschulen in Hamburg und dadurch auch mein berufliches Leben in den letzten Jahren, wie so vieles andere, maßgeblich mit gestaltet und beeinflusst. Hätte ich Sie und das CHE nicht schon lange als äußerst konstruktiven Impulsgeber und Partner kennen und schätzen gelernt, würde ich wohl heute nicht gemeinsam mit Herrn Ziegele versuchen, in die Fußstapfen von „Mü-Bö“ beim CHE zu treten: zu zweit können wir sie hoffentlich annähernd ausfüllen. Aber dank einiger spannender Projekte bleibt hoffentlich auch der „Eigentlich-Pensionär“ Müller-Böling uns noch viele Jahre erhalten. Ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit!
Es grüßt Sie herzlich,
Ihr Jörg Dräger
Filmgruß von Jörg Dräger an Detlef Müller-Böling zum Symposium