Prof. Dr. E. Jürgen Zöllner
Senator für Bildung Wissenschaft und Forschung in Berlin
Geburtstagsgrüße generell, aber besonders solche an prominenter Stelle wie dieser, bergen wohl immer die Gefahr in sich, dass der zu Ehrende mit soviel Lob überhäuft wird, dass auch beim Wohlwollendsten Zweifel darüber aufkommen müssen, ob dieses Ausmaß an Tugendhaftigkeit nach normalen Realitätserfahrungen noch wahrscheinlich ist. Dies gilt auch für mich, da auch bekannt ist, dass wir z.B. beim Thema grundständiger Studiengebühren sehr wohl kontrovers diskutieren. Die ehrenvolle Bitte, hier einen kleinen Glückwunsch beizusteuern, nutze ich deshalb gern, in herzlicher Absicht mein Verständnis darüber darzulegen, warum sich Herr Müller-Böling um die deutsche Hochschullandschaft verdient gemacht hat.
Dabei stützt sich mein Beitrag nicht nur auf die zahlreichen Kontroversen und Diskussionen, die ich in meinen verschiedenen Positionen in der Wissenschafts- und Bildungspolitik in den letzten Jahrzehnten erleben durfte. Vielmehr habe ich auch die Ehre und das Privileg gehabt, als Mitglied des Beirats des Centrums für Hochschulentwicklung die Entwicklung dieses Gremiums und die engagierten Anstrengungen seines Leiters über Jahre zeit- und ortsnah mitverfolgen zu dürfen.
Nun ist mir natürlich bekannt, dass die vielfältigen und häufig auch sehr originellen Vorschläge des CHE unter der Leitung von Müller-Böling von mancher Seite nicht nur skeptisch gesehen, sondern geradezu abgelehnt werden. Befürchtet wird, knapp gesagt, die beabsichtigte Substitution akademischer Freiheit durch die technische Rationalität betriebswirtschaftlicher Instrumente. Hier liegt aus meiner Sicht das große Missverständnis, was man schon daran erkennen kann, dass der Jubilar wie kaum ein anderer Kollege in der Lage ist, akademische Neugier und Erkenntnisinteressen in immer neue Vorschläge und fesselnde Anregungen umzusetzen und sie nach Möglichkeit den Praxistest erfahren zu lassen.
Der Titel „Die entfesselte Universität“, eines seiner programmatischen Bücher, kann gleichsam als Leitwort seines bisherigen beruflichen Lebensweges verstanden werden. Freilich muss deutlich festgehalten und unterschieden werden, von welchen Bindungen man in eine neue Freiheit aufbrechen will. Ich kenne keine Aussage des hier zu Ehrenden, die nahe legen könnte, es sei die Idee der Universität selbst, die hier zur Disposition stehen könnte.
Ausgangspunkt aller Bemühungen scheint mir die Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre gemachte Erfahrung gewesen zu sein, verschiedenste Ansprüche bei knappen Ressourcen in alten Formaten gleichzeitig realisieren zu wollen. Mehr Studierende sollten mit weniger Geld ausgebildet und die hochpolitisierten Gremien weiter demokratisiert werden. Zugleich beließ man es bei einer staatlichen „input-Steuerung“ und einer durchgreifenden Staatsaufsicht. Zugleich wurde das Problem einer Entfremdung zwischen Universität und Gesellschaft übersehen. Ich bin davon überzeugt, dass weder die Mehrheit der Studierenden, noch die Mehrheit der Professoren dem Modell der siebziger Jahre nachtrauert, in dem es zwar auch Exzellenz und wissenschaftliche Reputation oder sehr gute Ausbildungen gab, sich diese jedoch regelmäßig systemfremder Anwürfe ausgesetzt sahen.
Es ist auch und gerade der Verdienst von Müller-Böling, dass die Zustände heute anders sind. Ziel war es jeweils, die alte Leitidee der Universität von drei Irrtümern zu befreien: einer überbordenden staatlichen Einzelkontrolle, einer Ergebnisarroganz und einem fraglichen Verhältnis zwischen akademischen Kerngeschäft in Lehre und Forschung und der Missdeutung der Institution als Spielfeld von Gruppeninteressen.
Die meisten Arbeiten des Jubilars kreisen um diese Themen: Effektive Steuerung, bessere Allokation von Ressourcen und Entwicklung von Indikatoren für den Erfolg. Ziel ist es, der Institution Hochschule so eine zweite oder dritte Beobachtungsebene zu verschaffen, die es ihr ermöglicht, selbstreflexiv zu lernen und ihren Wert gegenüber der Gesellschaft aufgeklärt und überzeugend zu vertreten. Die so entfesselte Universität soll mutiger und kraftvoller ihre Aufgabe und ihren Anspruch ausfüllen können.
Dies heißt nicht, dass man jede Idee gut oder jedes Instrument geeignet finden müsste. Vielleicht werden heute noch andere Kosten zu wenig veranschlagt und vielleicht sieht man sich in ein paar Jahren ganz neuen Herausforderungen gegenüber. Dies alles mag sein und kann man sich vorstellen. Unvorstellbar erscheint jedoch, dass sich Prof. Dr. Müller-Böling und natürlich auch das CHE nicht mit bedachten Vorschlägen zu Wort melden werden. Ein Streit mit Ihnen auf gleicher Augenhöhe ist gleichermaßen Herausforderung wie Genuss.