Prof. Dr. Ernst Buschor
ehem. Präsident der Zürcher Hochschulen
Detlef Müller-Böling hat im deutschen Sprachraum als erster ein Autonomiekonzept für die Hochschulen entwickelt, das über allgemeine Ziele hinausgeht. Er hat damit das Konzept für den deutschen Sprachraum in zwei Phasen operationalisiert: Gestaltung eines institutionellen Rahmens der Autonomie und Konzeption der Prozesssteuerung. Die Phase Eins hat er in seinem Buch „Die entfesselte Hochschule“ auf dem Hintergrund einer reichen Beratungserfahrung konzis und wegweisend zusammengefasst, die Phase Zwei steht noch im Entwicklungsprozess.
Als ich 1995 das Zürcher „Bildungsministerium“ übernahm, war die Universität eine der Abteilungen, die weitgehend von der Ministerialbürokratie gesteuert war. Ich kam mit der Universitätsleitung überein, die Universität zu verselbständigen. Dies sollte im Rahmen inneruniversitärer Ansätze und des kantonalen New Public Management Konzepts erfolgen. Bei der Neufassung des Universitätsgesetzes boten die Arbeiten des CHE wertvolle Hilefestellung als Referenzrahmen und Argumentationshilfe.
Wir haben insbesondere das Konzept der ganzheitlichen Autonomisierung beachtet, indem im Sinne des CHE-Modells und im Unterschied zu deutschen Hochschulreformen alle Bereiche dereguliert wurden. Wenn eine Hochschule weiterhin im Zwangskorsett des Beamtenrechts, der Kapazitätsverordnung, des kameralen Haushalts, Buchgrösse erreichender Leistungsverträge oder der Akkreditierung aller Studiengänge bleiben muss, ist die Autonomie in wesentlichen Teilen zerstört. Eine echte Autonomie erfordert daher, dass die Organe der Universität ein umfassendes Recht zur Gestaltung der Anstellungsbedingen aller Universitätsangehörigen einschliesslich des „hire und fire“ haben, damit sie die wichtigste Ressource „Mensch“ der Universität steuern können. An der Unversität Zürich ist diese Bedingung erfüllt. Für die Perspektive einer ganzheitlichen Autonomie wie sie von Müller-Böling entwickelt worden ist, bin ich daher dankbar. Sie hat den Zürcher Reformprozess verstärkt.
Detlef Müller Böling hat stets unterstrichen, dass mit dem Recht der Autonomie auch die Pflicht zur Rechenschaft verbunden ist. In seiner zweiten Phase am CHE hat er sich eingehend mit dem Konzept des Benchmarkings und der Qualitätsentwicklung befasst. Mit dem Rating für die Studierenden, dem Forschungsranking und in zahlreichen Gutachten hat das CHE wichtige Beiträge zur Prozesssteuerung an den Hochschulen geleistet. Dabei bewegen sich die Hochschulen zwischen der Skylla der Intransparenz und der Charybdis für die Führung kaum relevanter Datenfriedhöfe. D. Müller-Böling hat massgeblich dazu beigetragen, dass das Hochschulschiff nach dem Grundsatz „multum non multa“ durch die Gefahrenzonen hindurchgeführt werden konnte; dieses Ziel ist zwar noch nicht ganz erreicht. Ich hoffe, dass wir auf dem weiteren schwierigen Weg auf seinen Rat bauen können und wünsche ihm das wohlverdiente, lange otium cum dignitate.
Ernst Buschor