Seit gestern ist in Nordrhein-Westfalen und weiten Teilen der Bundesrepublik die Corona-Pandemie beendet. So zumindest der Beschluss der Bundesregierung und etlicher Landesregierungen auf starkes Betreiben der FDP. (Fast) allle Beschränkungen sind aufgehoben. Maskentragen ist nicht mehr Pflicht, Quarantäne von Infizierten gibt es nicht mehr. Die Lage soll „normal“ erscheinen, obwohl sie es keineswegs ist. Mein Enkel bekommt wieder digitalen Unterricht, weil acht von zwölf Lehrkräften in der Grundschule coronabedingt fehlen. Inzidenzen liegen zwischen 200.000 und 300.000 – noch gezählt mit großer Dunkelziffer. Aber selbst diese Zahlen werden jetzt natürlich auch zusammen brechen, weil nicht mehr getestet wird – in NRW ist es nach den Osterferien in den Schulen verboten. Nur die Toten werden noch weiter gezählt – zuletzt nach RKI über 1.100 pro Woche (Höchststand 5.891 in 12/2020), spielen aber in der Diskussion keine Rolle. Die Devise lautet: Was ich nicht sehe, gibt es nicht.
Da kommt mir die alte Weisheit wieder in den Sinn:
Ein Wissenschaftler ist jemand, dessen Einsichten größer sind als seine Einwirkungsmöglichkeiten.
Bei Politikern soll es umgekehrt sein.
Denn sie haben es wieder einmal vorher gesagt: Der Expertenrat der Bundesregierung prophezeite am Ende letzten Jahres erhebliche Infrastrukturprobleme, die zumindest in den Schulen und den Krankenhäusern, die keinen Normalbetrieb mehr fahren können, mittlerweile offensichtlich werden.
Aber Corona deckt nicht nur grundlegende Fehlentscheidungen der Politik schonungslos auf, sondern Strukturdefizite in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt. Die Digitalisierung in Schulen und Gesundheitsverwaltung sowie in anderen Bereichen ist desaströs. Die Untersuchung und Nachverfolgung von Krankheitsfällen und -verläufen ist völlig unzureichend. Wir sind auf Berichte von Verläufen aus Israel, Großbritannien oder Dänemark angewiesen, wollen wir etwa Impfentscheidungen datengestützt vornehmen. Von unserer völlig unzureichenden „stabilen“ Impfquote von 76 Prozent ganz zu schweigen.
Ein wesentliches Hemmnis in dieser Sache, ist der völlig falsch verstandene Datenschutz. Bei uns steht Datenschutz letztlich vor Schutz von Menschenleben. Das sieht man an der Corona-Warn-App, die eine wirkliche Nachverfolgung von Infektionsketten verhindert. Das sieht man bei den Arbeitgebern, die Ihre Mitarbeiter nicht fragen dürfen, ob sie geimpft sind. Das sieht man an den Krankenkassen, die keine Informationen über Impfungen oder Infektionen herausgeben dürfen.
Schutz von Menschenleben ist im Grundgesetz garantiert, Datenschutz keineswegs. Darauf wies mich Prof. Dr. Jürgen Zöllner (eh. Wissenschaftsenator Berlin) hin. Daraus ergibt sich eigentlich eine eindeutige Wertigkeit, die aber sowohl in der öffentlichen Diskussion wie in den politischen Entscheidungen völlig verschoben ist!
Daher Augen zu und durch – bis zum Herbst! Aber einen Wiederanstieg spätestens dann sagen ja wieder nur die Wissenschaftler voraus, deren Einsichten größer sind als ihre Einwirkungsmöglichkeiten.
100 % richtig! Dazu kommt noch, wie der Mathematiker Matthias Kreck (Bonn) gezeigt hat, dass man nur durch die Verkürzung um einen Tag zwischen Krankheitsbeginn und Isolation die Welle im letzten Herbst um 90 % hätte reduzieren können. Was wäre noch durch eine konsequente Nachverfolgung und Kontrolle möglich? Ich bin dreimal geimpft und werde mich zum vierten Mal impfen lassen, wenn es sinnvoll ist. Bin aber seit heute gegen eine Impfpflicht, wenn eine Regierung nicht mal bereit ist, diejenigen in Isolation zu schicken, die andere anstecken können. Lauterbach sinngemäß: Es kann im Herbst eine Mutante gegeben, die infektiöser ist also Omicron und pathogener als Delta. Dies ist unvollständig und damit falsch, und da er es wissen sollte, gelogen. Es kann sein, dass gegen diese Mutante auch kein Impfstoff wirkt, so wie jetzt schon viele therapeutische Antikörper. Dann hilft nur Erfassung und konsequente Isolation. Darauf muss man sich vorbereiten. Auch hier brauchen wir eine Zeitenwende!