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Jahresgedanken zu Corona

Jahresgedanken zu Corona
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Keine Frage, Corona hat das Jahr beherrscht und wird es auch im nächsten Jahr tun.

Die erste Welle haben wir in Deutschland sehr gut überstanden – gerade auch im internationalen Vergleich. Geholfen hat uns ein großer volkswirtschaftlicher Reichtum, der von den (Bundes-)Politikern unmittelbar zur Milderung von Wirtschaftseinbußen mit Milliardenbeträgen eingesetzt wurde. Geholfen haben die gut ausgebauten Sozialsysteme etwa mit Kurzarbeitergeld, das noch erhöht wurde. Geholfen hat uns unser dezentrales Politik- und Verwaltungssystem mit regional abgestimmten Maßnahmen und ausgelastetem, aber nicht überfordertem Gesundheitssystem. Und geholfen hat uns die Beachtung der Ratschläge aus der Wissenschaft, so unvollkommen sie damals auch noch gewesen sein mögen.

Wir Bürger verhielten uns angesichts der Bilder aus Bergamo und New York erschrocken und zurückhaltend. In der Summe ist auch der individuelle Reichtum größer und gleichmäßiger verteilt als in vielen anderen Ländern, so dass Not nicht wirklich aufkam – jedenfalls nicht wegen Corona. Die Versorgung der Bevölkerung klappte vorzüglich, sogar letztlich mit Klopapier.

Insgesamt sind wir also durch die erste Welle sehr gut hindurch gekommen. Ende Mai hatten wir ein Drittel bis ein Sechstel (!) der Todesfälle vergleichbarer Industrieländer.

LandInfektionen
bis Mai
verstorben
bis Mai
Infektionen
bis 24.12.
verstorben
bis 24.12.
Deutschland220101.92934
Frankreich227433.73695
Italien387563.306116
Großbritannien416563.236102
Spanien509583.911106
USA545325.57899
Fälle je 100.000 Einwohner

Pandemie-Historiker belegen, dass in der Vergangenheit eine zweite Welle stets stärker und todbringender war als die erste. Die Corona-Pandemie macht da keine Ausnahme. Die Zahlen haben exponentiell zugenommen und die Infektionen liegen jetzt beim Hundertfachen der Werte nach der ersten Welle. Und Deutschland nähert sich auch stärker anderen Ländern an. Jetzt liegen wir bereits auch im internationalen Vergleich durchweg nur noch bei einem Drittel der Todesfälle. Das ist immer noch deutlich weniger als in den Vergleichsländern, zeigt aber hoffentlich keinen schlechten Trend.

Die zweite Welle – grafisch – zeigt den Unterschied eindrucksvoll

Die Situation in der Politik und bei den Bürgern scheint sich auch deutlich gewandelt zu haben. Die Politiker wollen jetzt alles gleichzeitig. Weihnachten und Sylvester ermöglichen, die Wirtschaft am Laufen halten und ein Überlaufen der Krankenhäuser vermeiden. Sie warnen erst vor „Hysterie“, machen dann halbwegs dicht und streiten noch darüber, ob 5 oder 10 Personen sich treffen dürfen, ob um 21 oder 22 Uhr eine Ausgangssperre erfolgen soll oder wer in welchem Straßenabschnitt eine Maske zu tragen hat, als ob so kleinteilige Unterschiede entscheidend wären. Etliche haben offensichtlich immer noch nicht die Exponentialfunktion mit ihrem explosionsartigen Wachstum verstanden. Da geht es ihnen, wie dem indischen König in der Legende, der dem Erfinder des Schachspiels versprach, jeden Wunsch zu erfüllen. Der erbat sich ein Reiskorn auf dem ersten Feld mit jeweiliger Verdoppelung auf den nachfolgenden Feldern. Der König interpretierte das nichtsahnend als bescheidenen Wunsch und scheiterte an den 18 Trillionen, 446 Billiarden, 744 Billionen, 39 Milliarden, 484 Millionen, 29 Tausend, 952 Reiskörnern (bei 0,003 g pro Reiskorn mit einem Gesamtgewicht von 540 Milliarden Tonnen), die er nicht beschaffen konnte.

Die Bürger wiederum verhalten sich in der zweiten Welle uneinheitlicher als in der ersten. Die einen verdrängen die Gefahr, die anderen sind angesichts der Wankelpolitik verunsichert. Wiederum andere werden aus Gewohnheit nachlässig oder sie sorgen sich zwar um die „erschreckenden“ Infektionszahlen, treffen sich dann aber „nur in Familie“ oder „mit Freunden“, als ob das Virus danach unterscheiden könnte. Von Corona-Leugnern, Verquer-Denkern bis zu denjenigen, die unter der Maske „keine Luft bekommen“ und sie deswegen auf halbmast tragen, will ich dabei gar nicht reden. Da wundern die mehr als 30.000 Infizierten und knapp 1.000 Toten täglich nicht mehr und es dürfte nicht völlig falsch sein, nach Weihnachten und Neujahr von einem erneuten Anstieg der Fallzahlen und Todesfälle auszugehen. Auch das Vertrauen in die Wissenschaft ist bei den Bürgern gesunken, von 80 % im April auf 60 % im November. Das ist zwar immer noch ein sehr hoher, aber dennoch deutlich sinkender Wert.

Die verschiedenen Politikbereiche arbeiten auch in der zweiten Welle mehr oder weniger erfolgreich. Die Gesundheits- und die Finanzpolitik treffen überwiegend die richtigen Entscheidungen, zeitnah und konsequent. Katastrophal ist die Schulpolitik, bei der die Detailsteuerung durch die Ministerien völlig versagt. Verordnungen und Erlasse, die einen halben Tag vor Inkrafttreten die Schule erreichen, Maskentragen mal ja, mal nein, Distanz-, Hybrid-, Präsenzlernen, Schulhoftrennung, Fensteröffnen – ein einziges Chaos. Da wird ohne Durchsicht auf Sicht gefahren, strategisches prospektives Denken findet nicht statt, natürlich auch nicht in den Sommerferien. Ohne den ständigen übergroßen Einsatz der Lehrerschaft und der Schulleitungen würde gar nichts mehr laufen. In jedem Fall wäre alles ohne Ministerialbürokratie besser. Das Gegenbeispiel sind die Universitäten, bei denen die Probleme individuell vor Ort gelöst werden, nachdem den Ministerien die Eingriffsmöglicheiten in den letzten 25 Jahren kontinuierlich entzogen wurden. Zumindest ein Teil dieser Freiheit würde auch den Schulen gut tun.

Nun hoffen wir also alle auf den Impfstoff. Es ist unglaublich, was Wissenschaft in dieser Zeit zustande gebracht hat. Aber ein Zeitwunder kann auch sie nicht vollbringen. Für die Wirkung in absehbarer Zeit sind Anstand und Abstand weiterhin angezeigt. In diesem Sinn sei allen Lesern dieser Zeilen

Geduld, Gesundheit, Zuversicht und Rücksicht
gewünscht am Ende dieses Jahres – und für 2021! 

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