Im Jahr 2000 wurde es veröffentlicht, das Hauptwerk für die Hochschulreformen der 90iger und 2000er Jahre. Die Entfesselte Hochschule enthielt meine Vision einer Hochschule, die aus den selbst auferlegten Denkblockaden der Hochschulmitglieder ebenso herausführen sollte wie aus den kleinteiligen Kontrollen und Regulierungen des Staates. Das Werk war leitend für die Arbeit des CHE Centrums für Hochschulentwicklung von 1994 bis 2008. Die Grundphilosophie und viele Einzelvorschläge wurden und werden aber auch noch bis in die heutige Zeit von Hochschulen, Politikern und Parlamenten aufgegriffen und umgesetzt.
Alfred Kieser, Organisationswissenschaftler und auch Mitstreiter in der Kommission Hochschulmanagement des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft, hat kürzlich in Forschung & Lehre eine „kritische Bilanz“ der Entfesselung nach 20 Jahren gezogen. Dabei hat er sich allerdings nur auf einen sehr kleinen Teil der Entfesselung konzentriert, das CHE-Ranking und hier insbesondere die bibliometrischen Messungen und deren mögliche dysfunktionale Wirkungen.
Das scheint mir doch zu wenig für eine angemessene Bilanz einer sehr umfangreichen, vielschichtigen und in den Einzelaspekten auch aufeinander bezogenen Vision. Dank der Schriftleitung von Forschung & Lehre habe ich einige Gegenpositionen darlegen können – wie immer in beschränkter Wörterzahl.
Ich habe mich konzentriert auf die sieben Handlungsstränge, die eng aufeinander bezogen sind und in einem Interdependenzverhältnis zueinander stehen. Zu den einzelnen Punkten habe ich jeweils die Vision und die Realisation präsentiert, nicht ohne dabei auch auf Defizite der Umsetzung einzugehen:
- Die Hochschulen sollten autonomer werden.
- Die Hochschulen sollten wissenschaftlicher werden.
- Die Hochschulen sollten wettbewerblicher werden.
- Die Hochschulen sollten profilierter werden.
- Die Hochschulen sollten wirtschaftlicher werden.
- Die Hochschulen sollten internationaler werden.
- Die Hochschulen sollten digitaler werden.
Natürlich endet damit eine Hochschulreform nicht. Das kann es in einem „atmenden“ System nicht geben. „Müller-Böling wird der Letzte sein, der diesen Prozess für abgeschlossen hält.“, schrieb Hans Weiler anlässlich meines Abschieds in DIE ZEIT. Das gilt auch für die Debatte über pro und cons von Reformen und ihren Wirkungen, wie die von Alfred Kieser und von mir.