Es passiert in unmittelbarer Nähe, da wo Christine aufgewachsen ist. Die Luftlinienentfernung vom Reaktor bis zu ihrem Elternhaus betrug 3,2 km. Heute ist das Forschungszentrum Jülich 27 km von unserem Wohnort entfernt. Für atomare Katastrophen keine Entfernung. Aber Atomreaktoren sind ja sicher. Wir leben in einem hochtechnisierten Land mit den besten Ingenieuren der Welt, einer stabilen Gesellschaftsstruktur, einer arbeitsfähigen und zuverlässigen Verwaltungs- und Kontrollaufsicht. Was soll da passieren?
- Von 1966 bis 1988 wurde in der Kernforschungsanlage (KFA) Jülich – heute Forschungszentrum (FZ) Jülich – ein Atomreaktor betrieben.
- Dieser bereits 1988 stillgelegte sogenannte Kugelhaufenreaktor wird jetzt „rückgebaut“.
- Eine Entsorgung ist nicht möglich, da es kein Endlager gibt und der Reaktor darüber hinaus unvorhergesehene Reaktionen zeigt, z.B. der hochradioaktive Graphitstaub im Innern des Reaktors oder das ebenfalls radioaktive Methangas, das sich gebildet hat und abgepumpt werden muss.
- Der Reaktor kann auch nicht an der bisherigen Stelle verbleiben, weil – wie erst jetzt bekannt wurde – 1978 (!) bei einem Störfall radioaktives Wasser ausgetreten ist und das Erdreich unter dem Reaktor verseucht hat. Dieses Erdreich muss nun ebenfalls „entsorgt“ werden.
- Der Reaktor wird nunmehr in eine eigens gebaute Halle etwa 200 m vom jetzigen Standort verbracht, eine Maßnahme, die mehrere Monate dauern und viele Millionen Euro verschlingen wird – insgesamt allerdings keine Endlösung.
- Eigentümer des Reaktors ist die Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor Jülich (AVR), früher einmal ein Konsortium von 15 Energieunternehmen. Als sich diese Energieunternehmen 2003 mit der Zukunft und den Kosten des hochgradig kontaminierten Reaktors überfordert sahen, übernahm das bundeseigene Rückbau-Unternehmen EWN die AVR. Seitdem gehört der Reaktor de facto der Bundesrepublik Deutschland.
- Der Reaktor ist mit einer großen Menge Kohlenstoff 14 (C-14) verseucht. Dieser Kohlenstoff hat eine Halbwertzeit von 5.730 Jahren, d.h. etwa im Jahre 7.750 n. Chr. ist das Problem halbiert!
Alles nach zu lesen in den letzten Tagen in den Aachener Nachrichten vom 12., 13. (zumindest dieser Artikel ist überaus aufschlussreich) und 14. November 2014.
Eigentlich verschlägt es einem angesichts dieser Ungeheuerlichkeiten die Sprache. Es bleibt aber vielleicht doch festzuhalten:
- Nach nur knapp 50 Jahren sind die heutigen Experten mit den Hinterlassenschaften der Altvorderen restlos überfordert. Lösungen für die Probleme sind nicht bekannt. Es kann nur Schadensbegrenzung betrieben werden.
- Die „billige“ Atomenergie ist nur während des Laufzeit eines Reaktors preiswert. Die Vorlaufforschungskosten hat die Bundesrepublik Deutschland finanziert, ebenso wie wir als Steuerzahler die Nachlaufkosten übernehmen. Die Energiewirtschaft trägt diese Kosten jedenfalls nicht, wie wir demnächst beim Abschalten der Atomkraftwerke auch wieder sehen werden.
- Von einer sicheren Technologie kann nun wirklich keine Rede sein. Wenn Störfälle bereits in den Anfangsstadien der Nutzung und in einer hochtechnisierten Umgebung vorkommen, dann ist das Vertrauen der „Atom-Experten“ in die Sicherheit und Beherrschbarkeit solcher Anlagen schier unbegreiflich.
- Im Hinblick auf zukünftige Generationen ist diese Energie völlig unverantwortlich. Wenn man allein die Halbwertzeit zurückrechnet, dann befinden wir uns im Jahre 3.610 vor Christus. Da haben die Sumerer gerade mal die ersten Schriftzeichen in Stein gemeißelt. Das war aber für uns zumindest ungefährlich.
Angesichts dieser unverantwortlichen, Milliarden verschlingenden Technologie bleibt nur eins: Atomstrom – nein!
Im Sinne unserer Enkel und deren Enkel und Urururenkel.